We can't find the internet
Attempting to reconnect
Verbindung zu esel.at
BMUKK-Bundesstudios im Prater
Text von Ursula Maria Probst
Bei einem Besuch der Praterateliers befindet man sich mit einem Fuß immer im Grünen. Unweit des Wiener Riesenrades, zwischen Trabrennbahn und Fußballstadion, treffen auf dem 25.000 Quadratmeter großen Areal wild wucherndes Biotop und unter Denkmalschutz stehende Architektur, Zeitgenössisches und Historisches, künstlerischer Austausch und produktiver Rückzug aufeinander. Ein Rundgang durch die Ateliers, in denen etablierte neben jungen Künstlerinnen und Künstlern arbeiten, gewährt einen generationsübergreifenden Einblick in die Produktion österreichischer Kunstschaffender der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart.
Die Künstlerateliers des Bundes in der Krieau sind durch ihre Geschichte, die bis zur Wiener Weltausstellung von 1873 zurückreicht, weltweit einzigartig. Im kulturellen kollektiven Gedächtnis Österreichs heute kaum verankert, markierte die Weltausstellung einen Höhepunkt der Wiener Baugeschichte. Die Schau gestaltete sich als Versuchsfeld für Bautypen, die in Wien bis dahin noch nicht realisiert worden waren. Entworfen hatte die ursprünglich 200 Pavillons der Ringstraßenarchitekt Carl von Hasenauer, der in Anspielung auf den Malerfürsten als »Makart der Baukunst« bezeichnet wurde. Die beiden einander gegenüberliegenden, symmetrisch konzipierten Gebäude mit den Praterateliers sind die einzigen heute noch erhaltenen Pavillons. 1875 von Kaiser Franz Joseph I. den Künsten gewidmet, dienten sie während der Weltausstellung als Teil eines Kunstbezirks der Präsentation von Kunstsammlungen. Noch heute findet sich im Eingangsbereich des südlichen Gebäudekomplexes die originale Widmungsinschrift: »DER KUNST«.
2001 wurden die Praterateliers, die sich im Verfügungsbereich des österreichischen Staates befanden, als Liegenschaft an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ausgegliedert und am 1. Mai 2010 wieder in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur übertragen. In den Pavillons hatten Bildhauer so gegensätzlichen Charakters wie Bruno Gironcoli, Alfred Hrdlicka, Rudolf Hoflehner, Karl Prantl oder Josef Pillhofer bis zu ihrem Tod ihre Ateliers. Künstlerinnen und Künstler wie Ulrike Truger, Joannis Avramidis, Roland Goeschl, Walter Kölbl, Hans Kupelwieser, Oswald Oberhuber, Gerhardt Moswitzer-Hewiach, Ingeborg G. Pluhar, Oswald Stimm, Werner Würtinger oder der Architekt Hans Hollein nutzen die Ateliers teils seit mehreren Jahrzehnten als Arbeitsraum.
Nach Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen werden seit 2011 frei werdende oder leer stehende Ateliers schrittweise und auf sieben Jahre befristet an Vertreter einer nachkommenden Künstlergeneration übergeben, die eine Jury im Zuge eines Einreichungsverfahrens auswählt. Derzeit arbeiten neben den oben erwähnten Künstlerinnen und Künstlern Judith Fegerl, Christian Mayer, Zenita Komad, Hans Scheirl, Roland Kollnitz und Claudia Märzendorfer in diesen 16 Ateliers für Skulptur, Objektkunst und Malerei, die zwischen 45 und 435 Quadratmeter Größe aufweisen.
Das weitläufige Areal in der Krieau wirkt wie ein Skulpturenpark. Man trifft hier unter anderem auf Joannis Avramidis’ plastische figurale Arbeiten, die seit Jahrzehnten internationale Anerkennung finden. Gerhardt Moswitzers scharfkantige Cortenstahl-Skulpturen aus verschiedenen Schaffens-perioden brechen mit dem arkadischen Idyll. Wer die Praterateliers betritt, kommt in den Genuss eines Besuchs von »Künstlerateliers« im ursprünglichen, besten Sinne. Kaum andere Studios bieten eine ähnliche lichtdurchflutete Raumatmosphäre, wie sie hier durch Seiten- und Oberlichten gegeben ist. Das Atelier von Oswald Stimm bildet ein organisch gewachsenes Ensemble und führt in den Kosmos einer Lebensreise, die einen 14-jährigen Aufenthalt in Buenos Aires und eine Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus umfasst. Ganz im Unterschied zur installativ arbeitenden Künstlerin Judith Fegerl, die mit Strom, Schläuchen und Kupfer hantiert, meißelt die Bildhauerin Ulrike Truger, die den Zustrom junger Künstlerkollegen und den intensivierten kollegialen Austausch als sehr belebend empfindet, im Außenraum imposante Fünf-Tonnen-Steine. Ebenfalls zu größeren Dimensionen tendiert Roland Goeschl in seinen modularen, in Beziehung zur Architektur stehenden Farbelementen. Walter Kölbl gestaltet industrielle Fertigungsprodukte zu präzisen Formationen mit minimalistischen Charakteristiken. Wie der Begriff einer »erweiterten Skulptur« zur Anwendung kommt, zeigt sich in den Werken von Hans Kupelwieser: Er bezieht in seine Skulpturen kinematische Abläufe ein. Staubsauger zur Vakuumproduktion gelangen zum Einsatz, auch Text spielt eine stets wiederkehrende Rolle, wenn es darum geht, durch Sprachformationen in die Realität einzugreifen. Die Großzügigkeit der Räume ermöglicht es, die Dinge zu belassen, sie nicht immer wegräumen zu müssen, die Werke nebeneinander zu positionieren – als Fortsetzung und als Anknüpfungspunkte für weitere Arbeiten.
Die Gegebenheiten in den Praterstudios haben, bestätigen auch andere dort wirkende Künstler, Einfluss auf ihre Arbeit. Durch die Raumverhältnisse und über den Raum verändert sich das Arbeiten im Werk von Claudia Märzendorfer. Dank der Lage des Studios inmitten des Pratergeländes, so Hans Scheirl, sei ein anderer Bezug zum Außenraum gegeben als bei einem Studio im urbanen Raum. Ingeborg Pluhar vergleicht die Situation, die in den Praterateliers anzutreffen ist, mit einer Insel. Potenzial für ein kollektives Miteinander sieht Zenita Komad durch die Nachbarschaft mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Roland Kollnitz, in dessen Werken sich das Auratische über ein In-Beziehung-Setzen einzelner Skulpturen entwickelt, lud etwa anlässlich einer Ausstellung im Wiener Projektraum Vesch seine neuen Nachbarn Oswald Stimm und Gerhardt Moswitzer zur Beteiligung ein.
Der historischen Komponente – dem Gebäude als Relikt der Weltausstellung – gilt das konzeptuell ausgerichtete Interesse des Künstlers Christian Mayer. Reflexionen über programmatische Momente der jüngsten Kunstgeschichte fließen in die künstlerische Arbeit von Werner Würtinger ein. Als Chronist der Praterateliers gab Würtinger 2011 die Publikation »Arkadien und angenehme Feinde. Die Bildhauerateliers im Prater« heraus. Darin findet sich ein Statement von Joannis Avramidis, wonach es für künstlerisches Arbeiten zwei Wege gebe: sich entweder dem Geschehen in pulsierenden Dynamiken auszusetzen oder sich in bewusster Isolation auf die eigene Arbeit zu konzentrieren, was latent zu einer Reflexion darüber anregt. Für die jüngere Künstlergeneration stellt sich diese Entscheidungsfrage nicht: Für sie gilt es, gleichzeitig die tollen Bedingungen der Praterateliers zur konzentrierten künstlerischen Produktion zu nützen und aktiv am Geschehen des Ausstellungsbetriebs teilzunehmen.
Ursula Maria Probst lebt und arbeitet als Kunsthistorikerin, Unilektorin, Kunstkritikerin, Kuratorin und Künstlerin in Wien. Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, wissenschaftliches und künstlerisches Arbeiten über und mit Louise Bourgeois in New York. Sie ist Mitinitiatorin des Performancekollektivs Female Obsession.
