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Panel Diskussion: Dokumente und Inszenierungen Event
Thomas Heise, Dominik Kamalzadeh, Ines Kleesattel, Annja Krautgasser, Constanze Ruhm, Axel Stockburger
Moderation: Maren Grimm, Constanze Ruhm
Im Zentrum des Wintersemesters 2013/14 standen zwei Filme, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: Der italienische Film ANNA von Alberto Grifi und Massimo Sarchielli aus den Jahren 1972 - 1975; sowie der deutsch-französische Film WUNDKANAL des Regisseurs Thomas Harlan aus dem Jahr 1984 (supplementiert von einer Making-Of-Dokumentation der Dreharbeiten zu WUNDKANAL mit dem Titel NOTRE NAZI des amerikanischen Dokumentarfilmemachers Robert Kramer aus dem selben Jahr).
Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich die TeilnehmerInnen in ihren unterschiedlichen Beiträgen mit den Fragen des Verhältnisses von Dokumentation und Fiktionalisierung, sowie mit den damit einhergehenden komplizierten Verflechtungen und Verwerfungen von Sujet und Inszenierung, Repräsentation und Dokument, Ausbeutung und Widerstand.
Ablauf:
16.00 h: Constanze Ruhm / Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer_innen
16.15 h: Keynote
Ines Kleesattel, Dokumentarische Wahrheitspolitik und die Waffen der Fiktion
„Das Reale ist immer Gegenstand der Fiktion“, erklärt Jacques Rancière und positioniert sich klar gegen dokumentarische Authentizitätsbehauptungen à la Guido Knopp. Rancière stimmt darin mit philosophischen Konstruktivismen ebenso überein wie mit einem Medialitätsbewusstsein, das bereits die Anfänge von fotografischer und filmischer Dokumentation begleitete und mit unterhaltsamen Mockumentarys längst im Mainstreamkino angekommen ist. Zugleich geht Rancière jedoch darüber hinaus, bloß demystifizierend festzustellen, dass Realität sich als Konstruktion zeigt. Dass philosophische, historische und dokumentarische Wahrheiten stets „Fiktionen“ (d.h. geformt und hergestellt) sind, heißt für ihn keineswegs, „dass sie null und nichtig sind, sondern dass sie Waffen in einem Krieg sind; keine Werkzeuge, die es erlauben, ein Gebiet abzuschlachten, sondern Waffen, die dazu dienen, seine stets unsicheren Grenzen festzulegen“.
17.00 h: Axel Stockburger, Einige Überlegungen zur Praxis des “Speculative Staging” in Aernout Mik’s Installation “Speaking in Tongues”
Im Zusammenhang mit seiner Videoinstallation “Speaking in Tongues”, die im Rahmen des Global Prayers Projektes im Berliner Haus der Kulturen zu sehen ist, verwendet Aernaut Mik den Begriff “Speculative Staging” um auf den Status seiner “fiktionalen” Videoarbeiten in Bezug zum dokumentarischen Material das einen wesentlichen Teil seiner Installation ausmacht zu klären. Diser Begriff und die damit verbundene Praxis scheint mir vor allem in Hinblick auf die Bedeutung des Performativen in Spannungsfeld von Fiktion und Dokumentation einige relevante Fragen aufzuwerfen. Unter anderem wird das Analyse des dokumentarischen Materials; in diesem Fall Aufnahmen von verschiedenen neuchristlichen Kongregationen (pentecostal churches) in Brasilien und Nigeria zum Ausgangspunkt für eine tiefgreifende Analyse der quasi-religiösen
17.15 h: Dominik Kamalzadeh
Claude Lanzmanns “Der Letzte der Ungerechten” über den Rabbiner Benjamin Murmelstein und Joshua Oppenheimers “The Act of Killing”, der erste Film, der sich mit den Säuberungsaktionen in Indonesien unter Suharto befasst, waren zwei akklamierte, gewichtige Dokumentarfilme des letzten Jahres. In beiden, in vieler Hinsicht unterschiedlichen Arbeiten geht es um die Auseinandersetzung mit zeithistorischen Ereignissen, die sich in der offiziellen Geschichtsschreibung als besonders problematische Felder erwiesen haben und die in der Gedächtnispolitik durchaus umkämpfte Positionen nach sich zogen. Es braucht ungewöhnliche, “atypische” Verfahrensweisen vonseiten der Filmemacher, um diese Geschichte(n) zu öffnen und zu veranschaulichen - einen Akt der Sichtbarmachung, bei dem sich auch Fragen nach der dokumentarischen Ethik stellen. Einige der ästhetischen Erwägungen dieser Filme sowie ihre Implikationen sollen in dem kurzen Vortag skizziert werden.
17.30 Annja Krautgasser, Das Remake als doku-fiktionales Stilmittel
Basierend auf einer 2011 enstandenen Arbeit mit dem Titel Remake Romanzo Criminale, in der Jugendliche eines italienischen Roma-Camps selbstiniziiert einzelne Episoden des Mafiafilms Romanzo Criminale (Michele Placido, 2005), basierend auf dem gleichnamigen Dokufiktions-Roman des italienischen Richters Giancarlo De Cataldo (2002) nachstellen, möchte ich sowohl das Dilemma migrantischer Täterzuschreibungen thematisieren, als auch die filmische Praxis der Inszenierung – dem Remake, Reenactment – aufzeigen.
17.45 h: Thomas Heise denkt nach über die Entdeckung der Welt außerhalb unserer Vorstellung, die praktische Arbeit damit, den Unterschied zwischen Dasein und Darstellung, und das Verschwinden als Gegenstand.
18.00 h: Constanze Ruhm, REPLAY: ANNA
REPLAY: Anna ist Teil einer Serie mehrerer Kurzfilme (in Produktion) unter dem gemeinsamen Titel INVISIBLE PRODUCERS, die sich mit dem Thema der Projektion im film-technischen wie auch im psychoanalytischen Sinn auseinander setzen. Im Zentrum von REPLAY: ANNA steht der bereits erwähnte Film ANNA von Grifi/Sarchielli (Italien 1972 - 74), der einerseits dem cinema verité verpflichtet ist, andererseits eine Reihe fiktionalisierender Elemente beinhaltet (in Form von Re-Inszenierungen, Wiederholungen, Zwischentiteln etc.). Am Ende steht der (behauptete) Tod des Mädchens Anna. Meine kurzer Text nimmt diesen (unbestätigten) Tod der Figur, der vielleicht einfach bloß ein Verschwinden war, zum Anlass, das Verhältnis von Dokumentation und Fiktion zu untersuchen.
18.15 h: Diskussion
Kunst und digitale Medien | Constanze Ruhm
Kunst und Film | Thomas Heise
Atelierhaus, 1. Stock, Atelier Nord