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Jüdische Wiener Journalisten kommentieren Richard Wagners Briefe an eine „Putzmacherin“
Vortrag von Andrea Winklbauer, Kuratorin der Ausstellung „Das jüdische Wien und Richard Wagner“
Während seines Wien-Aufenthalts von 1861–64 machte Richard Wagner die Bekanntschaft der Jüdin Bertha Goldwag, einer geschickten Näherin. Bei ihr bestellte er Hauskleider, Samtbarette, Schlafröcke, Negligés, Vorhänge und aufwendig gesteppte Decken und Kissen. Wagner beauftragte sie über seine Flucht aus Wien 1864 hinaus noch mehrere Jahre, bis sie sich nach ihrer Heirat 1868 aus dem Beruf zurückzog. Seine Briefe mit den Bestellungen und genauen Angaben zu Materialien, Farben und Machart wurden 1877 vom jüdischen Feuilletonisten Daniel Spitzer mit einem höhnischen Kommentar in der Neuen Freien Presse veröffentlicht. Der wagnerkritische Spitzer weidet sich genüsslich an dieser unheroischen Facette des Musikgenies als Privatmann mit Hang zu bunten Farben, luxuriösen Stoffen und weicher Wattierung. Europa lachte und Wagnerianer waren erbost.
Als „Putzmacherin Fräulein Bertha“ wäre Bertha Goldwag wieder im Dunkel der Geschichte verschwunden, hätte nicht der jüdische Wiener Journalist und Wagnerianer Ludwig Kárpáth sie 1906 ausfindig gemacht. Damals waren gerade die Briefe mitsamt Spitzers Kommentar in Buchform erschienen, was Wagnerianern erneut ein Dorn im Auge war. In seinen ebenfalls 1906 veröffentlichten „Unterredungen“ mit der „Putzmacherin“ erfährt man nicht nur mehr über die Person Bertha Goldwag, verheiratete Maretschek, sondern auch über Wagners Wünsche für die Ausstattung seines Arbeitszimmers in der Villa, die er in Wien-Penzing damals bewohnte. Nicht zuletzt wollte Kárpáth, ein glühender Wagner-Anhänger, den Ruf seines Idols wiederherstellen.
Eintritt frei
