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Gianna Zocco: It is this journey toward a more vast reality which must take prevalence over all other claims Event
James Baldwin und die (Un)vereinbarkeit von Literatur und Protest
Am Beginn von James Baldwins (1924-1987) literarischer Karriere stand ein Akt der mehrfachen Abwendung: einerseits der Abwendung von seiner Heimat Amerika und seiner Familie in Richtung Paris, andererseits der Abwendung von der einzigen Art von Literatur, die zu verfassen einem Menschen schwarzer Hautfarbe damals – falls überhaupt – gesellschaftlich ?erlaubt? war: Sein erster publizierter Text (1949) ist ausgerechnet ein Essay, der das Genre des ?Protestromans? – von Harriet Beecher Stowes Uncle Tom?s Cabin bis zu Richard Wrights Native Son – angreift: ?The failure of the protest novel lies in its rejection of life, the human being, the denial of his beauty, dread, power, in its insistence that it is his categorization alone which is real and which cannot be transcended.?
Wie verträgt sich dieser Akt der Abwendung damit, dass Baldwin knapp fünfzehn Jahre später zu einem der wichtigsten Wortführer der Bürgerrechtsbewegung wird, der Martin Luther King und Malcolm X trifft, der mit Justizminister Bobby Kennedy diskutiert und dessen Foto auf dem Cover des Time Magazine erscheint? Und wie ging er damit um, dass ihm von Kritikern immer wieder vorgeworfen wurde, genau die Art von Protestliteratur zu verfassen, gegen die er sich in seinen frühen Essays so strikt ausgesprochen hatte? Zum Beispiel schreibt Friedrich Torberg in einer Rezension über ein im Wiener Volkstheater aufgeführtes Theaterstück Baldwins: – Sonst aber eignen ihm so ziemlich alle Defekte, die immer wieder dazu führen, daß aus guter Gesinnung schlechte Theaterstücke entstehen.?
Ausgehend von dem schwierigen und immer wieder neu zu klärenden Verständnis von Literatur und Protest, das James Baldwins Werk wie ein roter Faden durchzieht, gibt der Vortrag einen kleinen Überblick über einen im deutschsprachigen Raum fast vergessenen Schriftsteller, der sich aktuell eines kleinen ?Revivals? erfreut. (Anmerkung: – I Am Not Your Negro?, ein Film der auf einem unveröffentlichten Drehbuch Baldwins basiert, läuft ab 16. Juni im Wiener Filmcasino)
Gianna Zocco ist Assistentin und Lehrbeauftragte an der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Wien. Nach ihrer Dissertation über das Motiv des Fensters als Öffnung ins Innere in der Gegenwartsliteratur und nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt an der Columbia University in New York arbeitet sie derzeit an ihrer Habilitation über Bilder und Funktionen des deutschsprachigen Raums und seiner Geschichte in afroamerikanischer Literatur.
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ist eine Reihe von (unbeschwerten) Vorträgen und Gesprächen, bei denen Künstler_Innen, Wissenschaftler_Innen, Freundinnen und Freunde ihre privaten Forschungsgebiete vorstellen.
Klub Irrko Space Night sind
Stefan Glettler, Astrid Rausch, Edward Reardon und Petra Schweifer.