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Finissage: seeing wrong and not seeing

Öffentlichkeit Finissage
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1 Termin
Samstag 5. Februar 2011
5. Feb. 2011
Sa
18:00
Finissage: seeing wrong and not seeing

In der Ausstellung „seeing wrong and not seeing” kombiniert die Künstlergruppe Mahony eigene Erlebnisberichte mit gegenwärtigen und historischen geopolitischen Fragestellungen. Gegenüber der aktiven Reise voran gegangener Projekte wird das Material der Karte, dessen historische Entwicklung und Gebrauch bis heute zum Ausgangspunkt der Ausstellung. Karten geben nicht die Realität wieder, sondern legen deren Konstruktion offen. An diesem Prozess orientiert sich die Ausstellung der Künstlergruppe Mahony, die sich aus Clemens Leuschner, Stephan Kobatsch und Jenny Wolka zusammen setzt.

Der Ort, der sich nicht verorten lässt, aber nach dem Abbild gegenwärtig ist, liegt der mehrteiligen Serie „Nearest Neighbour” (2010) zugrunde. Gefundene Bildmotive verschiedener Landschaften werden zueinander collagiert und mit einer weißen Siebdruckschicht visuell vereinheitlicht. Trotz der unterschiedlich verwendeten Ortsquellen, werden die geografische Landmarkierungen - wie der Verlauf der Bergkette - im Ausschnitt so gewählt, dass die jeweiligen Bilder aneinander anschließen und ein Ganzes ergeben. Wenn Karten nicht die Realität, sondern deren Konstruktion wiedergeben, könnte diese Arbeit den Produktionsablauf einer in mathematischen Vektoren berechneten Küstenlinie entsprechen, die sich aus Anschlusspunkten und nicht aus Abbildungspunkten erschließt. Die Einzelabbildungen legen jedoch eine weitere Problematik offen: die der politischen Vereinnahmung. Im Folgenden verbinden die Künstler zwar die Anschlüsse, jedoch zeigen die Abbildungen im einzelnen Landstriche, deren politische Zuordnung zwischen den verhandelnden Parteien nicht geklärt ist.

Die Sinnhaftigkeit der Reproduktion einer nicht dem Abbild entsprechenden Karte hinterfragt die Künstlergruppe Mahony vor allem in ihrer Arbeit „seeing wrong and not seeing”, die auch den Titel der Ausstellung stellt. Zwei Faltkarten - beide bestehend aus Leinwand auf gefaltetem Aluminium - werden einander gegenüber gestellt. Der grundsätzlich nicht vorgesehene, aber für den Betrachter als Kaffeefleck nachvollziehbare Ring, gibt den markantesten geometrischen Hinweis der zur Orientierung vorliegenden Karte. Dessen vergrößerte Wiedergabe diente wiederum der am Tisch liegenden Karte als Vorlage und zeigt durch Korrekturen, Übermalungen und Wegnahmen ebenso deutlich wie nachvollziehbar, den subjektiven Eingriff des Malers, die Karte im Prozess des Kopierens einer subjektiven Verschiebung auszusetzen.

Umso logischer folgt die Arbeit „Vollkommen und absolut Weiß” (2010) der Irrelevanz der Abbildung der Welt. Lewis Caroll entwickelte eine vollkommen weiße und leere Seekarte, deren Randmarkierung noch die kartenüblichen Richtungsweisungen und Einteilungen, aber keine weiteren als Strömungsrichtungen, Inseln oder Küsten deutbare Markierungen besitzt. Im Sinne von Michael Glasmeier stellt die monochrome Fläche bei Carroll keine Orientierungslosigkeit dar, sondern unterstreicht dessen Ortlosigkeit, die „mehr noch als alle maritime Malerei jene Gefühle ausdrückt, die Seefahrer seit je auf dem Ozean haben. Trotz ozeanographischer Vermessung und schiffstechnischer Sicherheiten umfängt den Reisenden auch heute noch eine beeindruckende Einsamkeit angesichts dieser Grenzenlosigkeit. (…) Insofern ist Carolls Illustration, eben weil sie nichts zeigt, der eigentlichen Erfahrung auf dem Meer näher als jene noch so genaue Kartographie.” Dieser Erfahrung stellte sich die Gruppe im vorangegangenen Ausstellungsprojekt „Kimm Sun Sinn”, zu der sie eine 21tägige Überfahrt mit einem Containerschiff in die „Neue Welt” unternahmen und die Erfahrung der historischen Reise mit den derzeitigen Warenrouten des globalen Handels untersuchten. Trotz der nachvollziehbaren Meeres- und Warenströme überwog auch hier ein Grundgefühl der Einsamkeit, basierend auf dem gleichförmig erfahrbaren Horizont der über die Tage hinweg wenig Veränderung zeigte. Arthur C. Danto ergänzt hierzu das vorangegangene Zitat:„Von einer Landkarte kann man sagen, sie sei ein Duplikat, mit dessen Hilfe wir uns in einer bestimmten Realität zurechtfinden, aber wie Lewis Carroll gezeigt hat, kann eine Landkarte nicht das Duplikat des Landes sein, sonst würden wir uns sowohl in der einen wie im anderen verirren.” (S.52) Und trotzdem glauben wir, dass sobald die Fahrtroute mittels nautischer Messgeräte berechnet ist nichts mehr dem Zufall obliegt, und wir gefahrlos Orientierung haben. In einer Welt, die fortan mit Echolot, GPS und Satellitennavigation erfasst und bereist wird, können sich die Mythen der Seefahrt nicht mehr aus dem Kartenmaterial speisen, egal ob deren Gegenwart bewiesen oder widerlegt ist. „Das Imaginäre spielt nicht mehr in den Text der Welt hinein, wie es noch Monster in den Randausmalungen gotischer Handschriften und früheren Kartenwerke taten.” Auch im Kontext der Ausstellung ergänzt die Künstlergruppe mit der Arbeit „Shelf Dummies” (2010) die oben beschriebenen Randausmalungen mit einem am Boden angebrachten Regal, auf dem Seemonster, die wie auf ihren weiteren weltweiten Einsatz warten, aufgereiht sitzen.

Denkt man Glasmeiers Gedankengang aus dem Jahr 1997 weiter, nehmen die gepixelten Google Earth Einträge auf den digital im Internet abrufbaren Landkarten den Platz der mittelalterlichen Beschreibungen der Seemonster ein. Die aus Beton gegossenen Arbeiten „diskreter Stapel” (2010) und „diskrete Fläche” (2010) leiten sich von diesen grafischen Bildern von Google Earth ab. Die liegenden und aufgestapelten exemplarischen Bausteine entsprechen der im Internet abgerufenen Pixeln, die vorweg Landflächen auf Basis ihres Sicherheits- bzw. und Geheimhaltungsstatus unkenntlich machen.

Somit wird in einer weiteren Stufe das Prinzip der subjektiv angelegten Karten mit ihrem objektiven Wertmaßstab die Welt abzubilden ad absurdum geführt. In der Ausstellung werden diese Betonabgüsse der exemplarischen geheimsten und unspektakulärsten Orte zu neuen Wegmarkierungen, die diskret wie auch präsent die Ausstellung für den Besucher eröffnen. Die zweidimensionale mit Pixel versetzte Landschaft, wird in der Ausstellung in eine dreidimensionale Skulptur übersetzt, die sich je nach Anordnung unterschiedlich installieren lässt, aber nochmals den in die Fläche gezogenen Raum der Karte in der nächstmöglichen Dimension spiegelt.

Die historische Kartografie war immer durch die subjektive Handschrift des Künstlers und von den als Auftraggeber dahinter stehenden Monarchen beeinflusst und geprägt. Mit der maschinellen Reproduktion von Karten haben wir die Wahrnehmung dessen verloren, dass Karten immer noch basierend auf subjektiven und politischen Kriterien gestaltet werden. Um ihre Seerechte zu erweitern hat die japanische Regierung in den letzten 60 Jahren Millionen investiert, um eine kleine, nicht zu betretende Insel vor dem natürlichen Untergang zu schützen. Selbst ihre Darstellung auf der Karte steht nicht im Maßstab der benachbarten Inseln, da so ein kleiner Punkt nicht lesbar dargestellt werden kann. Die Ausstellung verhandelt am Beispiel der Kartografie künstlerische und politische Kriterien zur authentischen Abbildung der Welt und stellt deren widersprüchliche Grenzen zwischen Fiktion und Realität so fließend wie auch absurd dar.

Archiv-Screenshot:

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