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Vortrag: Apokalyptische Narrative und die Bedeutung eines visuellen Formats Event

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Dienstag
27. März
2018
ab
19:30
Uhr
Galerie Charim
Dorotheergasse 12/1
1010 Wien
- Charim Galerie Dorotheergasse 12 1010 Wien
Öffentlichkeit Vortrag Präsentation Eröffnung Diskussion Veranstaltungsreihe Lesung Screening Führung Ausstellung

NEUE WIENER GRUPPE * LACAN-SCHULE * SEKTION ÄSTHETIK

Wolfgang Müller-Funk

Apokalyptische Narrative und die Bedeutung eines visuellen Formats: Eine Analyse des Genter Altars

In ,,Die ,,Kultur und ihre Narrative” habe ich im Anwendungsteil die Eigenart apokalyptischer Narrative im Hinblick etwa auf ihre spezifische Zeitstruktur analysiert. In diesem Vortrag erweitere ich diese Analyse insofern, als ich ein ganz spezifisches Bildkunstwerk, van Eycks Genter Altar, semiologisch und narrativ untersuche. Dabei gehe ich auf die Eigenart und Selbständigkeit von ,,visuellen Narrativen” ein, auf ihre Unbestimmtheit, ihren impliziten Verweischarakter und auf die Frage, inwieweit ihre Dekodierung von sprachlichen Erzählmustern abhängt. Ganz besonders interessiert mich aber das Verhältnis von Bildlichkeit und Textlichkeit. Im Vortrag beziehe ich mich deshalb auf Lessings Unterscheidung von Malerei und Poesie. In seinem berühmten Laokoon-Aufsatz verbindet er die visuelle Kunst mit dem Raum und die sprachliche mit der Zeit. Dabei stehen sich räumliches Nebeneinander und sequentielle Abfolge einigermaßen unversöhnlich gegenüber. Für Lessing bestand kein Zweifel, dass die narrative Kapazität der visuellen Künste im Vergleich mit der Sprachkunst außerordentlich beschränkt ist. Am Beispiel des Genter Altars lässt sich indes zeigen, dass dieses räumliche Nebeneinander einen verzwickten, nicht mehr ausschließlichen linearen Zeitmodus, wie er dem apokalyptischen Narrativ zugrunde liegt, sehr viel wirksamer gestalten kann als die lineare sprachliche Erzählung. Visuelle Narrative sind also nicht bloße Illustrationen sprachlicher Erzählmatrices, sondern haben ihre eigene mediale und semiologische Logik. Am Beispiel der heutigen Medien lässt sich - das wäre gegebenenfalls ein Ausblick für die Diskussion - zeigen, wie sich diese einer komplexen Verknüpfung visueller und sprachlicher Narrative (sowie musikalischer Sequenzen) bedienen und damit visuelle Plastizität und Konkretheit mit (potentieller) Explizitheit verknüpfen. Man kann diese Koppelung und die damit verbundenen technischen Fertigkeiten des Produzierens und Dekodierens auch im Sinne einer kulturellen Evolution begreifen.

Wolfgang Müller-Funk, Kulturphilosoph, Literaturtheoretiker, Essayist. Derzeit Prof. für Kulturwissenschaften am Institut für Europäische und vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Univ. Wien. Zahlreiche Publikationen und Sammelbände zu kultur- und medienwissenschaftlichen Themen. Wichtige Bücher u.a.: Erfahrung und Experiment (1995), Die Farbe Blau (2000), Niemand zu Hause (2006), Die Kultur und ihre Narrative (2002/2008), Kulturtheorie (2006/2010), Komplex Österreich (2009).

 
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