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A-tom und In-dividuum. Als Bertolt Brecht in Heisenbergs Mikroskop blickte Event
Lukas Mairhofer: A-tom und In-dividuum. Als Bertolt Brecht in Heisenbergs Mikroskop blickte
1942 ist kein gutes Jahr für Bertolt Brecht. Soeben an der letzten Station seiner Flucht vor dem Nationalsozialismus angekommen, findet er sich in Kalifornien isoliert und ohne Aussicht auf die Realisierung neuer Theaterpläne. Auf sich zurückgeworfen, sieht er sein Selbst auseinanderfallen: “interessant, wie eine funktionsabdrosselung die person aufdröselt. das ich wird formlos, wenn es nicht mehr angesprochen […] wird”, notiert er. In dieser Situation beginnt Brecht eine intensive Diskussion mit einem seiner Nachbarn in Hollywood. Es ist der Physiker und Wissenschaftstheoretiker Hans Reichenbach.
Formlos, das versteht Brecht schnell, wird nicht nur das isolierte Ich, sondern auch das Elementarteilchen, wenn es nicht wechselwirkt: Das Wellenpaket, welches das Teilchen beschreibt, zerfließt aufgrund der Unschärferelation. Der Bezug zur Umgebung ist in beiden Fällen notwendig, um eine Einheit zu konstituieren. Aus der Wechselwirkung zwischen Teilchen und Umgebung ergibt sich für die Physik ein Problem, welches im Gedankenexperiment von Heisenbergs Mikroskop formuliert wird: Die Beobachtung verändert zwangsläufig ihren Gegenstand. Brecht scheint aus diesem Umstand Hoffnung zu schöpfen. Die Beobachtung erhält revolutionäre Kraft: “Das geschieht, wenn Instrumente beobachten”, schreibt er über das heisenbergsche Mikroskop, “was geschieht erst, wenn Menschen beobachten.”