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Retrospektive: Charles Chaplin Event
Charles Chaplin. Das Gesamtwerk
2. Dezember 2009 bis 7. Jänner 2010
Müsste man sich auf ein Antlitz des Kinos einigen: es wäre wohl das von Charlie Chaplin als kleiner Tramp. Chaplin war die erste internationale Ikone des Kinos, seine Kunst galt als das Esperanto des Medienzeitalters. Es hieß, dass man seine Gesten und Blicke - und seine Abenteuer in der Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts - überall auf der Welt verstand. Denn in seinen einfachen und klaren Geschichten kristallisierten sich allgemeinmenschliche Lebenserfahrungen: Wie man durch den Alltag und dessen Wirrnisse kommt, wie man ein gebrochenes Herz verwindet, wie man aufbricht zu neuen Hoffnungen. Chaplins Kino ist in all dem sentimental, herzensgut, oft brutal in seinem Optimismus; dennoch sind seine größten Werke vielleicht gerade jene, bei denen einem das Lachen im Halse stecken bleibt, wie Work (1915), Shoulder Arms (1918), The Kid (1921), The Gold Rush (1925), The Great Dictator (1940) oder Monsieur Verdoux (1947).
Dieses radikale Aufgehen in den fundamentalsten Gefühlen, Sehnsüchten, Ängsten war auch der Grund, warum Chaplin einige Zeit lang in gewissen Cinephilen-Kreisen als ,,suspekt” galt - man bevorzugte etwa die kühl-moderne, abstraktere Komik von Buster Keaton. Dabei verengte sich der Blick auf sein Werk zusehends, immer weniger Filme waren regelmäßig zu sehen - The Kid, The Gold Rush, The Circus (1928), City Lights (1931), Modern Times (1936), also die letzten Stumm- und ersten Tonfilme. Und wie so oft in solchen Fällen sah man plötzlich nur noch die Ähnlichkeiten im Prisma tradierter Klischees. Dabei war Chaplin weit mehr als ein schlichtes, gefühlsseliges Gemüt. Selbst die größten Zweifler wurden noch daran erinnert, wenn sie Monsieur Verdoux sahen, einen der hellsichtigsten, grausamsten, skeptischsten Filme der Nachkriegszeit.
Zur Neubewertung Chaplins bedarf es eindeutig einer Anschauung seines Gesamtwerks, das heute nahezu vollständig restauriert ist. Das Österreichische Filmmuseum breitet dieses Werk nun erstmals seit Jahrzehnten wieder zur Gänze aus: von Chaplins erstem Auftritt in Making a Living (1914) unter der Regie des Wieners Henry Lehrman bis zu seinem letzten Film, A Countess from Hong Kong (1967, mit Marlon Brando und Sophia Loren) - vom frühen, beseelten Krabbeln als Baby der Filmkunst bis hin zu einem Spätwerk, dessen brüchige Alterspoesie von ganz eigener Schönheit ist und das fast neben der Zeit zu stehen scheint, in einer chaplinesken Art von Ewigkeit.
Eröffnungsfilm:
City Lights (1931)
Regie, Drehbuch, Musik: Charles Chaplin; Kamera: Roland Totheroh; Darsteller: Charles Chaplin, Virgina Cherrill, Florence Lee, Harry Myers. s/w, 85 min
Zum Auftakt:
Charly Chaplin in Wien (1931) von Selenophon Tonfilmschau. s/w, 4 min
Über drei Jahre Produktionszeit investierte der Perfektionist Chaplin in City Lights, mit dem Tonfilmverfahren war er noch lange nicht zufrieden: Es unterlief die Universalität und komische Wirkung seiner Filme. Also beschränkte sich Chaplin auf (selbstkomponierte) Musik und pointierte Klangeffekte - die Eröffnungsszene, in der eine Festansprache durch Quietschlaute repräsentiert wird, kann man als seinen Kommentar zu den talking pictures sehen. Dennoch wurde der Film einer seiner erfolgreichsten. Auch, weil er Chaplins Gabe, widerstrebende Erzählfragmente zu einem emotionalen Ganzen zu formen, perfekt verkörpert. Die Episoden konzentrieren sich auf die Versuche des verliebten Tramps, einem blinden Blumenmädchen das Augenlicht wieder zu geben, und auf seine Freundschaft mit einem Millionär, der ihn (und Menschlichkeit) nur in betrunkenem Zustand kennt. Pures Sentiment, virtuoser Slapstick, darunter ein brillanter Boxkampf-(Dr)eiertanz, zum magischen Muster verwoben. (C.H.)
Am 2.12. Eröffnung mit Kate Guyonvarch (Chaplin Office) und Cecilia Cenciarelli (Bologna)