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André Masson und sein grafisches Universum Event

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Von Dienstag
12. Dezember
2023
bis Donnerstag
21. März
2024
19:00
Design Bildende Kunst Eröffnung Ausstellung

Der französische Maler, Grafiker, Dichter und Essayist André Masson (1896-1987) gehörte mit Max Ernst, Joan Miró und Alberto Giacometti zu den frühesten Verfechtern des malerischen Surrealismus („avant la lettre“, wie er später schrieb), der mit dem 1924 von André Breton veröffentlichten erstem Manifest des Surrealismus anfangs auf die literarische Ebene beschränkt blieb. Zu Massons engstem Freundeskreis in dieser Zeit zählten aber vor allem Dichter. Gertrud Stein und Ernest Hemingway waren die ersten Käufer seiner Bilder. 1941 floh er vor dem Krieg über Martinique (das 1948 Gegenstand eines eigenen Buches werden sollte) in die USA, wo er nicht nur weiter ausstellte sondern dabei auch zu einer wichtigen Inspirationsquelle für den dort entstehenden abstrakten Expressionismus wurde. In Hinblick auf seine druckgrafische Produktion erwies sich die Begegnung mit Stanley William Hayter in dessen Atelier 17 in New York als besonders fruchtbar. Ende 1945 nach Frankreich zurückgekehrt – und längst in kritischer Distanz zum Surrealismus in der engen Auslegung seines Erfinders André Breton – erfand sich Masson immer wieder neu, ab den 1950er Jahren wurde er dazu erheblich von der Malerei des Fernen Ostens beeinflusst. In jeder Schaffensperiode äußerste sich Masson außerdem in ebenso prägnanter wie poetischer Weise schriftlich zu Kunst und Künstlern, wobei der Bogen von der Antike bis zu seiner jeweiligen Gegenwart reichte.

Wenn wir im Titel unserer Ausstellung auf Massons „grafisches Universum“ anspielen, dann meinen wir „grafisch“ nicht nur im gebräuchlichen bildnerischen Sinne sondern auch in der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes „graphein“ (=schreiben). Masson war nicht nur ein bedeutender Grafiker, sondern auch ein profunder Kenner der Kunstgeschichte und vermochte wie kein zweiter kunsttheoretische Erkenntnisse und persönliche Erfahrungen in sehr poetischer und origineller Weise zu amalgamieren und dem Leser seiner zahlreichen Essays näher zu bringen. Besonders aufschlussreich sind dabei die Kommentare zu Künstlern, die er besonders hoch einschätzte und/oder die seine Lebenswege auf die eine oder andere Weise kreuzten. So war Joan Miró ab den frühen 1920er Jahren sein Pariser Ateliernachbar, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. Besonders das Atelier Massons wurde zu einem „hot spot“ der Bohème inklusive der Literaten- und wachsenden Surrealistenszene, worüber Masson in seiner späteren Schilderung „45, Rue Blomet“ ein anschauliches Bild gibt. „Durch einen Niederschlag, den man die Luft der Zeit nennt, wurde mein Atelier zu einem Treffpunkt. […] In diesem Atelier herrschte ein Kommen und Gehen wie in einer Mühle.“ schreibt Masson und erwähnt neben seinem Hausgenossen Miró die mehr oder minder turbulenten Besuche von Jean Dubuffet, Georges Limbour, Antonin Artaud, Michel Leiris, André Breton, Marcel Jouhandeau, Max Jacob, André Beaudin, Ernest Hemingway, Jacques Doucet, Roger Vitrac, Louis Aragon, Robert Desnos, Raymond Queneau, Georges Bataille und Paul Eluard („Ganz offenbar war für Joan wie für mich die Dichtung im weitesten Sinne von kapitaler Bedeutung“). Hier liegen die Wurzeln Massons als Dichter-Maler („peintre-poète“), als der er sich zeitlebens selbst sah.

Nachdem sich Masson vom harten Kern der Surrealisten um André Breton, der nach Massons Ansicht durch seine doktrinäre Attitude mit der Zeit einen neuen „Akademismus“ in die Bewegung brachte, distanziert hatte, wurde Henri Matisse für Masson in Südfrankreich eine Art väterlicher Freund. „Oh, der Mann war beeindruckend! […] Matisse hat meinem Leben Gewicht gegeben“, schreibt Masson in Rückblick auf seine Gespräche mit dem bewunderten Künstler in 1932/33. Durch ihn gewinnt er auch die Überzeugung, dass ein „ursprünglich nach der Natur gemaltes Bild in eine zweite Bewegung und ins Metaphorische – sagen wir es mit einem Wort – in Poesie“ übergehen müsse. Neben Henri Matisse widmet Masson den Malern und Grafikern Honoré Daumier, Camille Corot, Paul Klee, Claude Monet, Paul Cézanne, Alberto Giacometti, Nicolas Poussin, Eugène Delacroix, Odilon Redon, Rembrandt, Herkules Seghers, Hieronymus Bosch, Pierre Klossowski und Victor Hugo eigene Aufsätze.

Wir schätzen uns glücklich, dass wir aus dem Nachlass des bedeutenden Sammlers (und Autors eines Standardwerkes über die Druckgrafik André Massons) Roger Passeron ein Konvolut einzigartiger (zum Teil mit der Hand überarbeiteter und mit Massons Anmerkungen versehener) Probedrucke von Radierungen und Lithographien erwerben konnten. Wir zeigen diese zusammen mit Druckgrafik einiger derjenigen Künstler, die Masson besonders bewundert oder – im Gegensatz dazu – kritisch beäugt hat. Begleitet wird die Ausstellung mit dazu passenden Zitaten aus Massons deutscher Ausgabe gesammelter Schriften.

Barbara Sietz schreibt in der Einleitung zum zweiten Band von Massons Schriften: „Masson ist durchaus aus dem verlöschenden Geschlecht der poètes maudits. Im Kunst- und Medienbetrieb, d.h. in der Ordnung der Repräsentation, ist er nicht gut und nicht schlecht vorhanden – sie fliehen ihn. Er ist nicht griffig in seiner sich ständig wandelnden Komplexität. […] Rebellion durchzieht sein Leben, seine Kunst, sein gesamtes Œuvre.“

Masson wehrt sich 1958 in einem Anflug von Pessimismus, der für einen Moment seine sonst feine Ironie verdunkelt, in ungewohnt deutlichen Worten gegen den Herdengeist: „Der moderne Mensch hat einen kranken Geist: Er heiligt das Profane – sucht verschämt nach Ersatzformen für die Religion – und, sofern er Platz in einer militarisierten Herde gefunden hat, verschreibt sich mit Leib und Seele dem Anführer, der ihm eine lächerliche Moral mit dem Knüppel einbläut. Diesem allgemeinen Sich-Preisgeben widersetzen sich einige. Bewundernswerte Ausnahmeerscheinungen.“

Es tut gut, dem „allgemeinen Sich-Preisgeben“ die Werke und Gedanken einer außergewöhnlichen Persönlichkeit wie André Masson entgegenzusetzen.

Künstler außer Masson in dieser Ausstellung: John Baptist Jackson (after Tintoretto), William Hogarth, Francisco Goya, Honoré Daumier, Camille Corot, Edouard Manet, Paul Gauguin, Odilon Redon, Pablo Picasso, Henri Matisse, Stanley William Hayter, Alberto Giacometti, Joan Miró, Salvador Dalí

 
Archiv-Screenshot:

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