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Grünangergasse 1 Event

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Von Mittwoch
29. November
2023
bis Samstag
20. Jänner
2024
17:30
Bildende Kunst Eröffnung Fest

Otto Kallir und die Neue Galerie in zeithistorischen Dokumenten
1923–1954

In der Grünangergasse 1, Ecke Schulerstraße, hat sich ein Künstlersalon ‚Neue Galerie‘ aufgetan, der mit einer Schiele-Ausstellung debütiert“, schrieb die Neue Freie Presse vor genau 100 Jahren am 29. November 1923 über jene Wiener Galerie, die in den folgenden drei Jahrzehnten mit ihrem facettenreichen und modernen Programm die österreichische Kunstszene maßgeblich mitbestimmen sollte. Vom Kunsthändler und Verleger Otto Kallir-Nirenstein gegründet, war die Ausrichtung der Galerie von der österreichischen Moderne und Avantgarde der Zwischenkriegszeit, später von alliierter Kulturpolitik und der Suche nach einer österreichischen kulturellen Identität geprägt – begleitet von einschneidenden politischen Zäsuren.

Seit 1954 – damals unter dem Namen Galerie St. Stephan – befindet sich die Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder in den Räumlichkeiten der Neuen Galerie. Deren Gründung vor 100 Jahren ist Anlass für uns, den Zeitraum von 1923 bis 1954 zu reflektieren und sich damit auch der eigenen Galeriegeschichte zu nähern. Politische Machtverschiebungen, gesellschaftliche Umbrüche und kunsthistorische Paradigmenwechsel sind an der Geschichte der Neuen Galerie ablesbar. Sie werden in der Ausstellung als Kontinuitäten, Bruchstellen und Ausblicke sichtbar, dargestellt in jenen Räumen, die selbst Thema der Präsentation sind. Ausgewählte Dokumente wie Korrespondenzen, Fotografien, Ausstellungsdokumentationen, Kataloge, Einladungskarten und Presseberichte aus dem Archiv der Neuen Galerie sowie dem Archiv des Kallir Research Institute erzählen die Geschichte der Neuen Galerie entlang der historischen Wendepunkte.

Dem Debüt im November 1923 folgte rasch die Etablierung der Galerie, die zu einem zentralen Ort für zeitgenössische Kunst in Wien avancierte. Bis 1938 zeigte Kallir mehr als 130 Ausstellungen, darunter Personalen zu Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Alfred Kubin, Oskar Laske, Lovis Corinth, Max Beckmann und Vincent van Gogh. Er propagierte Malerei des 19. Jahrhunderts ebenso wie italienische Futuristen, französische Impressionisten, Kunst der Sowjetunion und kunstgewerbliche Objekte der Wiener Werkstätte. Den von der Zerstörung bedrohten künstlerischen Nachlass von Richard Gerstl kaufte Kallir auf und führte zahlreiche Ausstellungen gemeinsam mit dem fortschrittlichen Wiener Künstlerverein Hagenbund durch.

Im März 1938, mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich, endete die Galerietätigkeit und das bisherige Leben der Familie Kallir abrupt. Otto Kallir, der bereits 1933 den antisemitisch konnotierten Nachnamen Nirenstein ablegte und in Kallir geänderte hatte, floh mit seiner Familie über Paris nach New York. Er eröffnete die Galerie St. Etienne – der Name in Anlehnung an den Wiener Stephansdom – die er bis zu seinem Tod 1978 leiten sollte. In den USA wurde Kallir zum erfolgreichen Galeristen und einem der bedeutendsten Wegbereiter der österreichischen Avantgarde um 1900 mit Künstlern wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Richard Gerstl.

Die Neue Galerie in Wien wurde nach gemeinsamer Übereinkunft und im Sinn Otto Kallirs ab Juni 1938 von seiner langjährigen und vertrauensvollen Mitarbeiterin Vita Künstler geleitet und 1949 an ihn zurückerstattet. Bis 1952 führten sie – Otto Kallir von New York aus – gemeinsam die Geschäfte der Wiener Galerie.

Während nach 1945 andere Ausstellungshäuser in Wien noch zerstört waren, fanden in der Neuen Galerie Kooperationen mit der neu gegründeten Österreichischen Kulturvereinigung, der Österreichisch-Französischen Gesellschaft und dem United States Information Service statt und ermöglichten Ausstellungen mit Alexander Calder, Walt Disney, Georges Rouault und Grandma Moses. Die österreichische Sektion des internationalen Art Clubs, die erste avantgardistische Künstler:innenvereinigung nach dem Krieg, zeigte 1947 hier ihre erste Ausstellung, eine weitere sollte 1948 folgen.

Im Jahr 1954 zog sich Otto Kallir aus dem Wiener Galeriegeschäft zurück. Einen Großteil der Räumlichkeiten vermietete er dem seit Längerem in der zeitgenössischen Kunstszene aktiven Monsignore Otto Mauer, der bereits seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Ebenen mit der Neuen Galerie verbunden war. Mit Mauers Gründung der Galerie St. Stephan im Herbst 1954 wurde eine Haltung übernommen, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt: die Grünangergasse 1 als einen Ort der Reflexion, des Neuen und des lebendigen Austausches zu begreifen.

Unser besonderer Dank gilt Jane Kallir für die Initiative zu dieser Ausstellung, die Unterstützung durch Leihgaben des Kallir Research Institute und den wertvollen Austausch. Die Enkelin Otto Kallirs übernahm die Galerie St. Etienne in New York von ihrem Großvater und stellte 2020 den kommerziellen Betrieb ein. Sie führt die wissenschaftliche Aktivität im Kallir Research Center, NY, weiter, dem sie als Präsidentin vorsteht. Jane Kallir hat mehrere Publikationen unter anderem zum Werk Egon Schieles herausgebracht und wurde 1994 mit dem Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

Unseren Dank möchten wir auch dem Belvedere für die Leihgaben aus dem Archiv der Neuen Galerie aussprechen sowie den Mitarbeiter:innen des Belvedere Research Centers. Namentlich danken wir sehr herzlich Monika Mayer und Stefan Lehner für ihre umfängliche Unterstützung bei der Recherche und ihre publizistischen Beiträge.

Parallel zur Ausstellung zeigt die Galerie W&K – Wienerroither&Kohlbacher unter dem Titel „100 Jahre Neue Galerie Wien. Hommage an Otto Kallir“ von 30. November 2023 bis 2. Februar 2024 eine umfassende Werkschau zu Ehren Otto Kallirs u.a. mit Werken von Klimt, Schiele, Kokoschka, Kubin und Beckmann.

Zur Ausstellung der Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder erscheint eine 56-seitige Broschüre mit Abbildungen und Texten von Jane Kallir, Stefan Lehner, Monika Mayer und Veronika Floch.

Konzept der Ausstellung: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder/Veronika Floch

Ausstellungsdisplay und Broschüre: Matthias Klos

Archiv-Screenshot:

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