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Bernd Schwarzer: Aus der Sammlung Weiss Event
ERÖFFNUNG
2.9.2023 // 17:30
Gratis Eintritt
Bernd Schwarzers Bilder „stehen zwischen erstaunlichen Vereinfachungen und staunenswertem Weitblick, zwischen Hoffnung und Appell“ hat Manfred Schneckenburger 2008 über einen der vielseitigsten Künstler unserer Tage geschrieben.
Der 1954 in Weimar geborene und seit langem in Düsseldorf beheimatete Kosmopolit Schwarzer hat im Laufe der letzten vier Jahrzehnte eine eigenwillige Ikonographie entwickelt, die nicht immer leicht zu entschlüsseln ist. Diese Vielseitigkeit hat ihren Preis: es gilt, immer wieder die verschiedenen Kapitel dieser künstlerischen komplexen Äußerungen sich anschaulich zu vergegenwärtigen. Die im Bank Austria Kunstforum Wien gezeigten 40 Objektbilder sowie die Plastik „Österreichischer Adler (Rot-Weiss-Rot)“ widmen sich seinen zentralen Themen Deutschland und Europa, wobei nicht nur die politischen Zusammenhänge im Vordergrund stehen, sondern auch ästhetische.
Bernd Schwarzer studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie u.a. bei dem Informellen Gerhard Hoehme sowie bei Joseph Beuys. Diese Jahre haben ihn nachhaltig geprägt. Die Kunst im Sinne von Beuys ist als revolutionäre Kraft zu verstehen – dieses Verständnis. Ein Jahr vor Entstehung des großen Werks „Wiedervereinigung“ – gemeint war die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Deutschen Demokratischen Republik – reiste Schwarzer mit seinem Lehrer Hoehme und einigen Studenten nach Verdun, einem der grausamen Schauplätze des I. Weltkrieges. Von dieser Reise nahm Schwarzer Eindrücke mit, die er in seinen anschließenden Zeichnungen verarbeitete, die heute in Museen und privaten Sammlungen aufbewahrt werden.
Das Thema Europa wurde hier schon grundgelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die Bundesrepublik Deutschland in ihren Jahren dem Grundsatz verschrieben: „Nie wieder Krieg“. Die Auseinandersetzung mit diesem – in Europa heute leider wieder aktuell gewordenen – Thema beschäftigt Schwarzer immer wieder. Der Künstler versteht sich als Pazifist, ohne jedoch die Realitäten zu verkennen. Schwarzer hat 2008 im Staatlichen Russischen Museum St. Petersburg seine Gemälde unter dem Titel „Europework“ gezeigt und auch in diesem Land kulturelle Impulse empfangen, die ihn zu mancher großangelegten Komposition führten.
Schwarzer entwickelte zu Beginn der 1980er-Jahre eine abstrakt-farbstarke, fast rauschhafte Ikonographie mit der Möglichkeit, sich bisweilen auch figürlich zu äußern. Seine spezifisch-pastose Malerei in Öl, die ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, ist bis heute ungebrochen. Die Deutschland-Themen entstanden nicht aus nationalem Interesse, sondern aus Betroffenheit über die deutsche Teilung und das dazugehörige Leid der Menschen. Dieser Impuls ist aus biographischen Gründen nachzuvollziehen. Für den in Weimar geborenen Künstler, waren zu allen Zeiten die Familienbande von großer Bedeutung, so auch die Beschäftigung mit dem Osten Deutschlands zu einer Zeit, als es noch die berüchtigte Mauer zwischen den beiden Deutschlands gab.
Wie bei Jörg Immendorff lebte in Schwarzer lange Zeit der Traum von der Zusammenführung beider Deutschlands. Daher haben manche seiner Bilder Titel wie: „Mauerbild (Schwarz-Rot-Gold)“ oder „Deutsche Köpfe (Zwei deutsche Brüder)“. Nach 1990 entstanden die Europabilder, in denen Blau und Gelb die zentralen Farben sind, Farben, die heute – nach dem russischen Angriff – von uns vornehmlich als ukrainische Farben angesehen werden. Schwarzers Auseinandersetzung mit Europa bezieht sich definitiv nicht auf eine vordergründige Kritik an Aktionen der Europäischen Union. Sein Europa möchte die sich zum Teil gegenseitig behindernden Kräfte (Mauern) auf dem Kontinent aus dem Weg räumen. Auch hier finden sich Titel wie „Europäisches Mauerbild“ oder „Europäischer Vulkan“. Europa wird von Schwarzer nicht geopolitisch verstanden, sondern als Ort abendländischer Geistesgeschichte.
Die europäischen Themen haben ein gewaltiges Oeuvre entstehen lassen: das „Europawerk“, welches in den beiden labyrinthartigen großflächigen Düsseldorfer Ateliers bis heute entsteht. Diese Ateliers ähneln einer Requisitenkammer, aus der heraus eine unendliche Anzahl Fundstücke aus aller Welt entnommen werden kann: Batterien von Farbtuben, Pinseln, Spachteln, Papptellern mit und ohne Farben, Kaffeetüten, Schirme, Transportkisten sowie bemalte Hemden, Zeitungsstapel, Bücher, Europafahnen etc. und dienen als Materiallager.
2022 erschien sein erstes Atelierbuch mit dem Titel: „Atelier Europa. Karlstrasse.“ In dieser Straße hat Schwarzer seit über 20 Jahren ein etwa 1.000 Quadratmeter großes Atelier, welches er von vornherein dem Europathema zugeordnet hat. Verglichen mit dem berühmten Atelier von Francis Bacon, der im Londoner Stadtteil über dreißig Jahre in einem Zweiraum-Appartement seine genialen Bilder herstellte, ist das in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs im Hinterhof befindliche Atelier-Karlstraße ein Untergrund-Palazzo. Von hier aus bewegt Schwarzer täglich seine mit schwerer Farbe realisierten Bilder unter Zuhilfenahme seiner Assistenten.
In der im Westen Deutschlands beheimateten Sammlung Weiss befinden sich zahlreiche Werke von Schwarzer aus dem Zeitraum 1978 bis heute. Schon bei der ersten Begegnung mit der außergewöhnlichen Person Schwarzer kam es zu einem Ankauf. Wichtig für den Bestand der Sammlung sind die themenbezogenen Arbeiten, so dass Konvolute in Museen und anderen Kunstorten ausgestellt werden können. Die letzte internationale Ausstellung von Schwarzer hat in Thessaloniki stattgefunden.
Text: Tayfun Belgin, Direktor, Osthaus Museum Hagen