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rewind

Raphael Haider: 0,00001 Lux Event

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Von Donnerstag
13. Juli
2023
bis Freitag
01. September
2023
19:00
Bildende Kunst Ausstellung

Mi&Do&Fr 13.00-18.00 by appointment

Stumm starrt der Frosch und hungrig ist er auch. Könnte Quaxi (2023) Augenringe haben, sie wären tief. Er reiht sich ein in die Runde trauriger Gestalten, die schlaff ihre Köpfe hängen lassen. An Schlaf ist nicht zu denken. Fahl strahlt das blaue Licht Straßenlaternen nachts in die Galerie. Nur schwach schimmert ein gelblicher Schein aus den Lampenobjekten, der dem Außen wenig entgegenzusetzen hat. Convallaria majalis, Lilium und Helianthus annuus (alle 2023) sind Artefakte der Gegenwart, die aufgegeben haben. Nutzlos gewordene, doch einwandfrei funktionierende Komponenten einer großen Infrastruktur, die aus den letzten Löchern ihrer Beleuchtungstrichter pfeifen. Leicht geknickt und von der drückenden Hitze der Sommersonne gebeutelt hängen sie im Ausstellungsraum ab. Vorbei die Tage, an denen sie wacker und aufrecht Stunde um Stunde als stumme Begleiter verunsicherten Jugendlichen den betrunkenen Weg nach Hause wiesen und Tausenden von Motten gleich jenen ins Paradies.
Als melodiöse Liebeshelden wie Gene Kelly sich in You Are My Lucky Star (1952) von ihnen Halt geben ließen und singend in die nächste Sommerromanze schwangen. Als sie die Transitstraßen von Schlafstädten zu Industriehochburgen erhellten, auf denen die Schichtbusse rollten. Als sie noch den hoffnungsvollen Weg in eine sacht gelblich ausgeleuchtete Zukunft wiesen. Es ist, als hätten sie genug gesehen. Ausgefranst und abgeknabbert ragen die Kabelenden der Arbeit Untitled (2023) in den Raum. Ungewiss bleibt, wodurch die Verbindung gekappt wurde. Gewiss sind die Konsequenzen, denen die Objekte nun mit letzter Kraft entgegen leuchten: Es geht zu Ende. Sie teilen das Schicksal mit bunten Ballons, die auf dem Jahrmarkt Kinderaugen glänzen lassen, um dann im stetigen Sinkflug von der Kinderzimmerdecke in den Müll zu wandern.

Die Überwältigung der Welt durch Licht bildet blinde Flecken, wo Übersicht entstehen soll. So lange leitete es den Menschen durch seine eigene Geschichte. Jahrtausende. Sie handelt von Erkenntnis und Erlösung, von Heil und Fortschritt. Der Orientierung und der Distinktion. Gut ist das Helle, das Aufgeklärte (das im englischen nicht ohne Grund direkt mit Enlightenment übersetzt wird), Schlecht ist das Dunkel und damit das Unsichtbare und Unverstandene. Doch im Fahrwasser der technologischen Durchdringung unserer Welt durch Licht und Beleuchtung zeigen sich erste Anzeichen des Verschleißes. Der Kälte der unbeleuchteten Höhle, dem Dunkel der Unwissenheit, der Angst vor dem Raubmord auf der dunklen Straße entkamen die Bewohner der Städte seit der Antike durch das Installieren von Beleuchtungsmitteln auf ihren öffentlichen Plätzen. Im Absolutismus folgte der erste große Auftritt des Lichts als politischer Akteur, der noch heute deutlich sichtbar markiert, wessen Öffentlichkeit als Öffentlichkeit verstanden wird. Nach Jahrhunderten der fossilen Brennstoffe – von Waltran über Petroleum und Gas – trat das blaue Licht seinen bis heute bestehenden Siegeszug an. Seine frechen kurzen Wellen rauben der Welt weniger Ressourcen, doch zugleich den Schlaf. Von ihrer eigenen Performance erschöpft, ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragend, knicken die Lampenskulpturen – Boliden aus Stahl, Zink und Aluminium, ein.
Gebaut für die Ewigkeit, verbraucht im eiligen Schritt des Fortschritts, der niemals bremsen darf, nur brennen. Es ist zu hell. Hungrig starrt der Frosch, tief sind seine Augenringe.

Text Anne Zühlke

 
Archiv-Screenshot:

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