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Lazar Lyutakov: 1 Million Random Numbers
Delaine Le Bas: Incipit Vita Nova. Here Begins The New Life/A New Life Is Beginning
Chen Chieh-jen: Worn Away
30.6. – 3.9.2023
Eröffnung & Gartenfest
Donnerstag, 29. Juni 2023, 19 Uhr
Programm
19.00 Uhr Eröffnung der Ausstellungen
19.15 Uhr Begrüßung
19.45 Uhr Performance Delaine Le Bas und Hera Santos
Gartenfest
ab 21.00 Uhr dj line up:
Andrea Lumplecker (school)
20EURO20EURO
DJ Hauswein
Ausstellungsgespräch
Lazar Lyutakov im Gespräch mit Luca Lo Pinto
Donnerstag, 29. Juni 2023, 18 Uhr
(in englischer Sprache)
Eine Veranstaltung der Freunde der Secession
Lazar Lyutakov
1 Million Random Numbers
Lazar Lyutakov eignet sich vielfach alltägliche Objekte unserer modernen Massenkultur und einfache Industrieerzeugnisse an, um ihre verschiedenen Produktions- und Handelswege zu ergründen. In seinen Werken untersucht er die Bedingungen und Mechanismen des Warentausches samt der damit verknüpften Politik der Wertproduktion sowie die Schnittstellen von Ware und Kunst. Kennzeichnend für seine Arbeitsweise ist dabei stets die intensive Beschäftigung mit der Designgeschichte und mit den Techniken der Präsentation.
In der Installation Way of the Sand, die Lyutakov 2019 für den bulgarischen Pavillon der Biennale von Venedig schuf, verwendet er beispielsweise billige Biergläser, die in Vietnam durch Recycling von weggeworfenem und zerbrochenem Glas mit einer einfachen Glasblastechnik manuell hergestellt wurden. Diese Unikate präsentiert er auf einer modularen Struktur aus Plexiglas, das ebenfalls gebrochen ist und so in seiner Materialität den Herstellungsprozess der Biergläser und gegenwärtige Vermarktungsstrategien widerspiegelt. Indem Lyutakov mit den vielfältigen Ambiguitäten zwischen standardisierter Massenware und hochwertigem Objekt der Begierde, zwischen Wegwerfartikel und skulpturalem Objekt spielt, hinterfragt er das Ungleichgewicht eines globalisierten Marktes ebenso wie den Warencharakter von Kunstwerken.
In The Incarnation of Empty Events aus dem Jahr 2021 verhandelt er diese Fragestellungen auf ähnliche Weise anhand eines Abfallprodukts aus der Industrie. Von den Abdeckhauben aus Metall, die eigentlich als Bauelement für Wasserboiler konzipiert sind, nimmt der Künstler ausschließlich jene fehlerhaften Stücke, die dem Druck, der für ihre Fertigung notwendig ist, nicht standhielten. Die Reststücke werden wie hochwertige Accessoires oder Hüte aufwendig einzeln verpackt und mit ihren Kartons zu Stapeln arrangiert, so dass sie eine deutliche Aufwertung erfahren. Gezielt markiert Lyutakov dabei seine kritische Distanz, indem er jenen Moment herausarbeitet, in dem das Erhabene ins Lächerliche zu kippen scheint.
Lazar Lyutakov, geboren 1977 in Shabla, Bulgarien, lebt und arbeitet in Wien.
Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Annette Südbeck
Delaine Le Bas
Incipit Vita Nova
Here Begins The New Life/A New Life Is Beginning
Delaine Le Bas arbeitet inter- und transdisziplinär: Sie verbindet visuelle, performative und literarische Praktiken zu einem alle Lebensbereiche umfassenden künstlerischen Oeuvre. In ihren Arbeiten behandelt sie viele Facetten, politische wie private und emotionale, die die Zugehörigkeit zum Volk der Rom*nja, deren Geschichte und reiches kulturelles Erbe mit sich bringen. Einerseits bedient sie sich „klassischer“ Formen und Techniken, insbesondere textiler Techniken wie Stickerei und Applikationen, die in Verbindung mit großgeblümten Stoffen und phantastischen Bildwelten sogleich auch mit Klischees und Stereotypen in Verbindung gebracht werden. Andererseits unterläuft Le Bas ihre eigene dekorative Ästhetik, indem sie ihre Kämpfe offen erkundet und sich auf diese Weise stereotypischen Beschränkungen widersetzt.
In ihren Ausstellungen inszeniert sie Räume und erzeugt Stimmungen, Arbeiten und Artefakte verschmelzen zu einem Gesamtbild. Ihren Umgang mit Materialien könnte man auch als nachhaltig bezeichnen: Sie arbeitet mit allen Mitteln, pragmatisch und erfindungsreich, mit gefundenen Objekten, Malerei, Film, Zeichnung, Stickerei, Skulptur und Video. Manche Ausstellungen sind gezeichnet von sehr persönlichen und biografischen Auseinandersetzungen, wieder andere behandeln stärker strukturelle und politische Themen wie beispielsweise die gesellschaftliche Stellung, Diskriminierung und Ausgrenzung marginalisierter Gruppen.
In ihrer vor kurzem zu Ende gegangen Ausstellung Beware of Linguistic Engineering spürte Le Bas aus intersektionaler Perspektive der Art und Weise nach, wie Sprache vom Thatcherismus bis hin zum Brexit von neoliberaler Politik konstruiert wird, wie dabei bestehende Ausgrenzungen reproduziert werden und das kollektive Bewusstsein beeinflusst wird. Ihre Arbeit ist auch eine Einladung an den Kulturbetrieb zum selbstkritischen Diskurs, denn für sozial und rechtlich benachteiligte Minderheiten in Europa, wie Rom*nja und Sint*izze, hat sich lediglich die Sprache geändert, die für sie seit einiger Zeit benutzt wird, jedoch weder der Blick auf sie noch die sozioökonomischen und rechtlichen Bedingungen ihrer Leben. Indem sie ihre textbasierten Gemälde und Zeichnungen, ihre Tagebücher, Erfahrungen, Gedanken und Ansichten zum heutigen gesellschaftlichen Unbehagen teilt, erschafft Le Bas ein ganz persönliches Universum, in dem Kritik zu einer Angelegenheit von kollektiver Dringlichkeit wird.
Für ihre Einzelausstellung in der Secession entwickelt die Künstlerin eine neue, sehr persönliche Installation, die auch die besonderen Qualitäten des Raumes wie seine Lage im Untergeschoß, aber auch die unmittelbare Nachbarschaft zum Beethovenfries berücksichtigt.
Delaine Le Bas, geboren 1965 in Worthing, Großbritannien, lebt und arbeitet ebenda.
Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Bettina Spörr
Chen Chieh-jen
Worn Away
Chen Chieh-Jen, der sein Werk seit den frühen 1980er-Jahren entwickelt und international präsentiert, ist einer der renommiertesten Vertreter der taiwanesischen Kunstwelt. In der lokalen Szene wurde er durch die aktionistische Performance Dysfunction No. 3 (1983) bekannt, bei der Chen und seine Mitstreiter in Häftlingskleidung und mit übergestülpten Kapuzen durch die Straßen Taipehs zogen und so nicht nur einen Akt des zivilen Ungehorsams gegen die staatliche Kontrolle setzten, sondern in Zeiten der Unterdrückung auch einen öffentlichen Raum schufen: Unter dem von 1949 bis 1987 herrschenden Kriegsrecht wurde auch der Ausnahmezustand beibehalten, womit freie Meinungsäußerung und öffentliche Versammlungen verboten waren. Das von Natur aus antikommunistische Kriegsrecht grenzte Taiwan von der benachbarten Volksrepublik China ab und führte zur Etablierung eines Einparteiensystems, in dem Militär und Geheimpolizei die Kontrolle übernahmen. Die japanische Herrschaft über Taiwan in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Verbundenheit des Landes mit den USA während des Kalten Krieges und die heutige Neoliberalisierung sind auch stets wiederkehrende Ausgangspunkte von Chens vielschichtigem Werk.
Seit er sich Mitte der 1990er-Jahre der Fotografie und insbesondere dem Film zugewandt hat, beschäftigt sich der Künstler mit den unterschiedlichen Ausprägungen der Kolonisierung, den Mechanismen der Marginalisierung, der Ausbeutung von Arbeitskräften und den vielfältigen offenen und verdeckten Formen der staatlichen Kontrolle. Ein wesentlicher Aspekt seiner filmischen Arbeiten ist die Partikularität eines ‒ realen wie auch inszenierten ‒ Ortes. So dient etwa für seine Videoarbeit Empire’s Borders I (2008‒09) ein nachgebautes Amtsbüro als Kulisse, vor der ein ausschließlich weiblicher Cast die demütigenden Befragungen zu Visa nachstellt. Der Künstler hat in seinen Projekten immer wieder mit Communities zusammengearbeitet, darunter mit Sanatoriums-Insass*innen, entlassenen Fabrikarbeiter*innen, Migrant*innen und chinesischen Ehepartner*innen. Da Chen Chien-Jen auf Gemeinschaft setzt, erforscht er in seinem Werk nicht nur Formen des kollektiven Widerstands, sondern auch die Verstrickungen Taiwans in einer globalisierten Weltordnung unter der Schirmherrschaft des Neoliberalismus.
Chen Chieh-jen, geboren 1960 in Taoyuan, Taiwan. Lebt und arbeitet in Taipeh, Taiwan.
Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Jeanette Pacher
