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Andreas Duscha: Geplante Obsoleszenz I Event
Für Andreas Duscha (*1976 in Heidenheim an der Brenz, lebt und arbeitet in Wien) ist die ästhetische Form immer in erster Linie ein Mittel, um die Aufmerksamkeit auf den Kontext zu lenken. Das bedeutet, dass der formalen Oberfläche eines Werkes nicht nur Schönheit und Attraktivität inhärent sind, sondern sich in ihr eine potenzielle Überführung in die thematische Tiefe materialisiert.
Im ersten Raum der Ausstellung zeigt der Künstler elektronenmikroskopische Aufnahmen von sieben Mineralien, die allein aus der ökologischen Interaktion von Mensch und Umwelt hervorgegangen sind. Aufgenommen mit einer Kleinbildkamera, evoziert Duscha bewusst Filmkörnung von über einem Millimeter pro Korn. Diese Körnigkeit ist eine Hommage an analoge, “veraltete” fotografische Techniken, die für den Künstler charakteristisch sind: Technisch unmöglich digital zu simulieren, kann sie nur postprozessual durch mathematisch-algorithmische Filter nachgeahmt werden.
Solche Restriktionen digitaler, computergestützter Systeme werden auch im zweiten Teil der Ausstellung deutlich, der dem Zusammenspiel kollektiver Individuen und systemischer Observation gewidmet ist. Grafische Muster, die in Spiegel auf beiden Seiten des Raumes geätzt sind, rekurrieren auf die geometrisch abstrahierten Strategien von CV Dazzle. Dieses aus New York stammende “Anti-Facing” durch Haare und Make-up ist zu weltweiter Beliebtheit avanciert, um der Gesichtserkennung durch Computervision zu entgehen. Das menschliche Gesicht wird so in einen dualistischen Wahrnehmungsstatus versetzt: sichtbar für andere Personen, unsichtbar für Maschinen. Diese Verschleierung ist ein Analogisierungsprozess, eine Metamorphose zur digitalen Fiktionalität.
Der letzte Teil der Ausstellung erzählt chiastische Geschichten von Vergänglichkeit, menschlicher Begrenztheit und Triumphen des divergenten Denkens. Betritt man den dritten Raum, wird man zunächst mit sieben Aufnahmen überlagerter Postkarten nicht mehr existenter Bauwerke konfrontiert, die zu ihrer Zeit als die herausragendsten architektonischen Errungenschaften galten. Geisterhafte Fotografien dokumentieren nun die Vergänglichkeit ihrer Sublimität. Diesen vergangenen Größen werden vier Cyanotypien gegenübergestellt, die das kontinuierliche Streben nach Überwindung menschlicher Möglichkeitsgrenzen demonstrieren: Technische Konstruktionszeichnungen von Perpetuum mobilia zeigen die jahrtausendealten gescheiterten Versuche, Energie entgegen den Regeln der Physik aus sich selbst heraus zu speisen. Ein menschenerdachtes Konzept, das schon bei seiner Genese zum Scheitern verurteilt war.
Die wechselseitige Beziehung all dieser intersubjektiven Mechanismen wird durch die Wandgestaltung der Ausstellung unterstrichen. Weil die Wand nicht nur raumschaffendes, sondern auch raumdefinierendes Element ist, ist es bezeichnend, dass Andreas Duscha den letzten Raum in der Farbpalette des Kunsthistorischen Museums Wien tüncht. Er suggeriert damit eine museale Sphäre des Anthropozäns, der Verschlagenheit und Einschnitte der Menschheit, des Seienden, des Gewesenen und dessen, was noch kommen wird. Kurz: die Bemühungen des Menschen, seine eigene geplante Obsoleszenz aufzuschieben.
Text: Teresa Kamencek, Wien, 2023
Präsentation der Monografie von Andreas Duscha FACADE LANGUAGE TIME TRANSLATION (Verlag Moderne Kunst, 226 Seiten, Softcover, 400 Stück Auflage, 2023) während der Ausstellungseröffnung.