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Paul Riedmüller Event
Donnerstag, 9. März, 18 - 21 Uhr
Wenn wir künstliche und menschliche Intelligenz als zwei distinkte Instanzen sehen, bewegen sich Paul Riedmüllers (*1989 in Graz, lebt und arbeitet in Wien) Kompositionen in ihrem Zwischenraum. Mit dem zunehmenden Hype um KI-Bildgeneratoren und digitale Kunst im Allgemeinen sind in jüngster Zeit erneut Bedenken über den vermeintlichen Tod der Malerei aufgekommen: Gleitet der Beruf des traditionellen Malers mit Dall-E, Midjourney und NFTs allmählich in die Obsoleszenz?
Paul Riedmüller zeigt, dass solche Infrastrukturen als leistungsstarke Ressource im manuellen Schaffensprozess instrumentalisiert werden können. So nuanciert er apokalyptische Prophetie durch Problematisierung und Empirie: Aus einem unlimitierten Fundus an Bildmaterial, das von Found Footage über KI-generierte Bilder bis hin zu physiologisch erfassten Stimuli reicht, generiert der Künstler collagierte Kompositionen, die er danach in aneignender Entschleunigung abmalt. Durch diesen Prozess reformiert und reproduziert Riedmüller das, was bereits formiert und produziert wurde. Diese Verdoppelung führt zu einer Umkehrung unserer gewohnten Richtungsdynamik: Während wir üblicherweise das Unikale ins Digitale vervielfältigen, reduziert der Künstler die potenziell unendlichen Kopien auf ein Einzelstück.
Weil Praxis immer nicht nur die Praktizierenden, sondern auch diejenigen, die mit ihr konfrontiert und von ihr betroffen sind, formt und verändert, stellen uns Paul Riedmüllers Bilder vor die fesselnde Aufgabe, ihre mediale und piktorale Kodifizierung zu entziffern. Für den Künstler selbst hingegen ist der Produktionsprozess eine meditative Quelle der Erholung: In berauschender Unendlichkeit von Möglichkeiten lotet er in aller Ruhe die Grenzen der Malerei aus. Mit zahllosen Sprays von geairbrushtem Acryl oder glatter Ölfarbe simuliert er verschiedene Optionen von Bildsprache, die mit wiederkehrenden, ähnlich scheinenden Bildobjekten belebt sind, die sich aber semantisch antikommutativ verhalten: Ein Gemälde mit zwölf Tierdarstellungen erinnert an ein Sachbuch, während das Motiv des Shiba Inus an Meme-Kultur und digitale Währungen erinnert (Crypto Bros wissen Bescheid). Subtiler Humor und spielerisches Experimentieren ist ein grundlegendes Paradigma in Riedmüllers Arbeit.
Aber nicht nur inhaltlich, sondern auch medial operiert der Künstler in vielschichtigen Prozessen. Diverse Schichten mit unterschiedlichsten Texturen und Oberflächenqualitäten überlagern sich, ohne Einschränkung durch Regeln der Kohärenz und mimetischer Organik: Die Darstellung eines klassischen Früchtestilllebens, makellos auf die Leinwand geairbrusht, wird von repetitiven, einheitlich rotierten Landschaftsbildern überschrieben, deren Proportionen nichts mit jenen des Stilllebens gemein haben. In ihrer Zwischenschicht befindet sich ein in schwarzer Linie scheinbar autonomes Reich mit ganz anderen Gestaltungsmitteln, das im Gegensatz zu den körperlichen Früchten flächige, grafische Qualitäten aufweist. Diese optischen Schichten, auf eine einzige Ebene projiziert, verhalten sich wie Vexierbilder: Wird eines fokussiert, werden die anderen praktisch nicht mehr wahrnehmbar. Und doch müssen sie alle vorhanden sein, damit unser Blick durch und über das Gemälde gelenkt wird. Gefangen in dieser kreisförmigen Matrix aus formal referenziellen Schichten, begegnen wir eigentümlichen Sphären der Imagination, die sich jeder traditionellen Beschreibung entziehen. Sie erscheinen als die Verewigung einer zeitlichen und räumlichen Abfolge jenseits der Gegenwart, die Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen in allen Dimensionen gleichsetzt. Die Parameter von Riedmüllers Gemälden ähneln damit denen ungewöhnlich lebhafter Träume, wie Hyperphantasien, die sich in unmittelbaren unterbewussten Erfahrungen manifestieren, die Freud erstaunen würden.
Auf diese Weise schafft Riedmüller autoreflexive Arbeiten, die einerseits Licht und Raum simulieren, Präsenz und Perspektive suggerieren und manipulieren, Sehgewohnheiten in Frage stellen und andererseits das Erscheinungsbild traditioneller Malerei hinterfragen: Das Eindringen der Bilder in den physischen Raum durch ihre Befestigung an Holzkisten gibt ihnen das Potential für eine imaginative Kinetik. Malerei und Skulptur verschmelzen zu einem neuen Möglichkeitsraum, der dimensionale und mediale Grenzen verwischt. Die Ausstellung vermittelt eine Vervielfachung der Wandoberfläche durch Extrusion und erforscht eine Hierarchie der Wahrnehmung durch die Platzierung auf und in Oberflächen. Dieser energetische Aspekt der sich vervielfältigenden Semantik zeigt erneut Riedmüllers Freude am experimentellen Empirismus.
Text: Teresa Kamencek, Wien, 2023