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“I am a Passenger” heißt es im gleichnamigen Song von Iggy Pop. “And I ride, and I ride.” Durch die dunklen Ecken der Stadt und unter den Sternen, die sich am hohlen Himmel zeigen. “You know it looks so good tonight.” Es sieht tatsächlich gut aus, wenn Rebecca Brodskis das Passagere des Passagiersdaseins in der U-Bahn in einen dauerhafteren Seinszustand zu transformieren trachtet. Sie porträtiert Einzelmenschen, aber auch Paare und kleine Figurengruppen. Es sind überwiegend junge Gesichter, auch von schwarzen Menschen oder von Frauen mit Kopftuch. Meist schlicht en face abgebildet, einmal aber auch wie crazy um die Stange in der Fahrgastkabine rotierend - eine Art metaphysischer Pole Dance im Angesicht des Wahnsinns. Bezeichnenderweise heißt dieses Bild: “The light at the end of the tunnel” (2022). Dass die Fenster des vermeintlichen U-Bahn-Waggons manchmal aussehen wie die vergitterten Lichtöffnungen in einem Gefängnis, bringt eine zusätzliche Dimension ins Spiel - diese Passagiere könnten womöglich keine freiwilligen sein.
Rebecca Brodskis, geboren 1988 in Paris, verbrachte ihre Kindheit zwischen Frankreich und Marokko in einer Art von dauermigratorischem Zustand, der sie einer Vielzahl von Milieus und Sprachen, aber auch Lichtsituationen und Farberregungen aussetzte, die der gelernte Europäer üblicherweise erst als Reisender im Erwachsenenalter kennenlernt. In ihrer Farbpalette dominieren sorgfältig abgestufte Gelbtöne, die durch grüne, orange und blaue Farbflecken kontrastiert werden - meist in scharfer koloristischer Abgrenzung.
Rebecca Brodskis bezeichnet sich selber als figurative Malerin, allerdings “with a twist”, also mit einer leichten Drehung. Auch die künstlerischen Bezugspunkte erschließen sich unmittelbar: Christian Schad, Otto Dix und ganz allgemein die Neue Sachlichkeit der 1920er Jahre. Allerdings gefiltert durch eine postkoloniale, postmillennale Sensitivität, die auf gewisse gestalterische Elemente zurückgreift, ihnen aber einen völlig neuen Kontext verleiht. Die Retour a l’ordre, die nach dem Ersten Weltkrieg wieder zum Gegenstand, zu einem klaren Bildkonzept und einer objektivierenden Darstellungsweise zurückführte, kann in der Epoche des Post-Everything kein allgemeines Bildprogramm mehr sein, sondern lediglich eine individuelle Aneignungsform dessen, was in der Welt der Fall ist. Rebecca Brodskis hat diesen Weg gewählt, um einerseits an bestimmte Darstellungstraditionen des globalen Südens anzuschließen und andererseits ihrer Vorstellung von der menschlichen Figur als endlose Landschaft gestalterische Konturen zu verleihen. “Ich versuche in meinen Bildern Eindrücke von Momenten aus dem Alltagsleben zu verarbeiten.” sagt die Künstlerin. “Ich mag die Idee, dass Kunst diesen Zwischenraum / diese Interzone markiert, wo alles möglich ist. Die Realität verbindet sich mit der Imagination und öffnet bewusst oder unbewusst die Pforten für eine tiefere Introspektion.” (Thomas Miessgang, 2022)
