We can't find the internet
Attempting to reconnect
Verbindung zu esel.at
The Spring Curatorial Program: Reweaving our world(s) anew Event
The Spring Curatorial Program 2022: Art Geographies is co-organised by the Academy of Fine Arts Vienna and Verein K in collaboration with Jelena Petrović, who conceptualised and curated the first edition, untitled: Art Geographies (as the result of the FWF research project V-730: The Politics of Belonging – Art Geographies 2019-2023).
Reweaving our world(s) anew: decolonial art geographies as spaces of “refuturing”
Vortrag von Madina Tlostanova
Im Rahmen des Spring Curatorial Program 2022: Art Geographies.
18:00 – 18:30 Begrüßung und Einführung
Johan F. Hartle, Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien
Rainer Fuchs, Chefkurator, Stellvertretung der wissenschaftlichen Geschäftsführung, mumok
Jelena Kaludjerović, Direktorin des Vereins K
Jelena Petrović, Kuratorin des Programms, Akademie der bildenden Künste Wien
18:30 – 20:30 Madina Tlostanova: Reweaving our world(s) anew: decolonial art geographies as spaces of “refuturing” [Unsere Welt(en) neu gestalten: dekoloniale Kunstgeografien als Räume der „Refuturisierung”]
Die etablierten Kunstgeografien, die bis heute weitgehend auf der ganzen Welt in der Kunsterziehung normalisiert sind, gründen im Prinzip der Delokalisierung und Entkörperung, wie es von der europäischen Moderne für alle als universal und notwendig geltend konstituiert wurde. Die jüngste Erscheinungsform dieser Logik kann im Konzept der zeitgenössischen Kunst wiedergefunden werden, die per definitionem westlich ist, auch wenn sie zwecks besserer Vermarktung gelegentlich als global oder „altermodern“ bezeichnet und allen als die höchste und hervorragendste Etappe der Kunstentwicklung, charakterisiert durch Kommodifizierung und einer flachen Temporalität (Chronophobie), auferlegt wurde. Dekolonialität als eine spezifisch kritische Optik des Blicks auf die Moderne/auf Kolonialität entlarvt sowohl die Mechanismen, durch die die Moderne verführte und verzauberte, als auch ihre Formen der Selbstlegitimierung, indem sie die Aufmerksamkeit auf die Geopolitiken und die Körperlichkeit des Seins, der Wissensproduktion, des Fühlens und von Genderkonstruktionen lenkt. Diese Positionierung artikuliert sich aus den Rissen, den Brüchen, den Zonen des Unbehagens und der Verunsicherung der Moderne, ihrer Verhandlung eines Dazwischen-Seins. In weiterer Folge werden die Kunstgeografien und ihre Trajektorien, die gewöhnlich als linear, homogen und fortschrittlich repräsentiert wurden, während sie zugleich alternative ästhetische Wertesysteme und „Tempus-Lokalitäten” delegitimierten, zunehmend pluriversal: Sie verzweigen sich unendlich, nicht notwendigerweise simultan oder messbar, sondern häufig in opaker Beziehung zueinander, den normalisierten, einheitlichen Kunstpfad der Moderne verstörend und in Kritik nehmend, indem sie nach transversalen und horizontalen kreativen Koalitionen und Dialogen suchen. Diese unkonventionellen, unvollendeten, pluriversalen Kunstgeografien, die unter anderen auf dekolonialen „Onto-Epistemologien” beruhen, trotzen den hochpolierten geopolitischen Klischees mit ihren allgegenwärtigen Sicherheitsdiskursen und Machthierarchien, sie erschüttern ihre korrupte Weltordnung, die durch die alten und neuen Grenzen der Normalisierung des Ausnahmezustandes und der Eliminierung menschlicher und anderer Lebensformen gekennzeichnet ist. In diesem Sinne hoffen dekoloniale Kunstgeografien darauf, unsere Welt(en) neu zu weben, nicht nur, indem sie deren verlorene Vergangenheit restituieren, sondern auch indem sie danach streben, ihnen eine zukünftige Dimension zu verleihen, die uns gegenwärtig kollektiv fehlt.
Madina Tlostanova ist eine Künstlerin, die aus dekolonialer feministischer Perspektive textuell und diskursiv arbeitet, und als Professorin für postkoloniale Feminismen an der Abteilung für Thematic Studies (Gender Studies) der Universität Linköping in Schweden lehrt. Davor war sie Professorin für Philosophie an der School of Public Policy, Russische Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation in Moskau (2012-2015), und an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft (2003-2012). Sie war zudem als Senior Researcher am Gorki-Institut für Weltliteratur der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau tätig (1997-2003), wo sie ihre beiden PhDs über US Fiktion verfasste (1994 und 2000). Tlostanova war 2006 und 2011 DAAD Gastprofessorin am Institut für postkoloniale und transkulturelle Studien an der Universität Bremen (Deutschland); zwischen 2007 und 2008 Gastforscherin am Centre for the Global Studies and the Humanities an der Duke University (USA); 2013 GEXcel Gastforscherin an der Universität Linköping und 2014 an der Universität Södertöm (Schweden). Sie fokussiert sich in ihren Arbeiten auf dekoloniale Denkweisen, die postsozialistische Kondition, Artivismus, Feminismen des Globalen Südens und kritische Zukunftsstudien. Sie ist Autorin von zwölf wissenschaftlichen Büchern und 285 Artikeln, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Unter ihren jüngsten Büchern finden sich die Schriften What Does it Mean to be Post-Soviet? Decolonial Art from the Ruins of the Soviet Empire (Duke University Press, 2018), A New Political Imagination. Making the Case (zusammen mit Tony Fry, Routledge, 2020), Деколониальность знания, бытия и ощущения [Dekolonialität der Wissensproduktion, des Seins und des Fühlens]. Almaty (Kazakhstan): Center of Contemporary Culture Tselinny, 2020. Weiters ist sie Mitherausgeberin (zusammen mit Redi Koobak and Suruchi Thapar-Björkert) des Bandes Postcolonial and Postsocialist Dialogues. Intersections, Opacities, Challenges in Feminist Theorizing and Practice. Routledge, 2021.