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Thomas Reinhold: La vie de l'espace Event
“A steady drip, drip, drip” heißt ein Album der amerikanischen Popband Sparks aus dem Jahr 2020. Ein beständiges Tropfen, Tropfen, Tropfen spielt aber auch eine Rolle in der künstlerischen Arbeit des Malers Thomas Reinhold, der eher selten einen Pinsel verwendet und stattdessen durch komplexe, minutiös arrangierte Schüttvorgänge die Farbe auf der Leinwand verteilt. Durch Schrägstellung des Malgrundes verwandeln sich Tropfen und Farbflecke in Schlieren, die sich wie Fäden von oben nach unten ziehen und die Bilder strukturieren. Doch es gibt auch flächige geometrische Elemente in diskreten Farben, bei denen ein dotteriges Gelb, zartes Violett und verschiedene Blautöne zwischen Azur und Kobalt hervorstechen. Nicht präzise Formen sollen hergestellt, sondern Annäherungswerte erzielt werden: “Ich will keine sterile Exaktheit!” sagt Thomas Reinhold.
All dies ist per definitionem ungegenständlich und, wie der Künstler betont, ohne farbsymbolische Komponente, obwohl Betrachterinnen und Betrachter bei längerer, kontemplativer Betrachtung der Bilder, darunter das Diptychon “Himmel und Hölle” nach dem bekannten Faltspiel, traumhafte, geradezu halluzinatorische Eindrücke von exotischen Landschaften gewinnen könnten. Doch es geht Reinhold bei seinen neuen Arbeiten, die zum größten Teil im Jahr 2021 entstanden sind, nicht um ein elaboriertes Spiel zwischen Figuration und abstrakter Farben- und Formensprache, sondern um eine Überwindung traditioneller malerischer Raumkonzepte. Er zitiert den belgischen Schriftsteller Maurice Maeterlinck, der eine vierdimensionale Welt beschwört, “wo das Vorher, das Nachher, das Jetzt übereinander geschichtet sind wie fotografische Filme und von jeher gleichzeitig bestehen.” Thomas Reinhold steuert die Verräumlichung der Malerei dadurch an, dass er in seinen Bildern fünf, sechs Schichten übereinanderlagert und den Betrachter “quasi im zeitlosen Zustand mit etwas konfrontiert, das über einen langen Zeitraum gemacht wurde. Und genau dieses Phänomen empfindet man dann als räumlich.”
Ergänzt durch Tuschemalereien und eine 5-teilige Fotoserie aus den 1970er Jahren, die gewisse formale Prinzipien in der Kunst Thomas Reinholds gewissermaßen antizipiert, geht es bei den neuen Bildern um ein Aufsprengen des Raum-Zeit-Kontinuums, in dem sich der Mensch behaglich eingerichtet zu haben scheint. Um eine explosive Simultaneität, in welcher der Künstler eine Maeterlinck’sche Vierdimensionalität zu erkennen glaubt. Ähnliche transzendentale Erlebnisse hätten sich für ihn manchmal beim Hören von Musik eingestellt: “Etwa beim späten John Coltrane, wo die Klänge nicht mehr so dahinjagen, sondern stillzustehen scheinen. Wo man etwas Kompaktes spürt und die Musik sich wie eine Architektur im Raum entfaltet.” (Thomas Miessgang, 2022)