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In der Kubatur des Kabinetts
HOW TO CHANGE EVERYTHING
- THE POLITICS OF FEMINIST STRIKE, RADICAL CARE AND ARTIVISM
Mit Arbeiten von Petra Bauer, Marisel Orellana Bongola, Jessica Cortina Lopez, Lena Rosa Händle, Jacqueline Hoàng Nguyễn, Mariana Chiesa Mateos, Daniela Ortíz, María Ruido, Manuela Zechner
Kuratiert von Barbara Mahlknecht
#It is impossible, that is why it is necessary
#Wenn wir anhalten, steht die Welt still
#Si nosotras paramos, se para el mundo
#When we stop the World Stops with Us
#8M Huelga detenemos para cambiarlo todo
#NosMueveElDeseo
»Der Fehler besteht darin, dass wir uns Ziele setzen, die wir nicht erreichen können, und immer »dagegen« kämpfen, anstatt zu versuchen, etwas aufzubauen. Das bedeutet, dass wir immer in die Zukunft projiziert werden, während freudige Politik bereits in der Gegenwart konstruktiv ist. […] Politisch aktiv zu sein muss unser Leben und unsere Beziehungen zu den Menschen um uns herum positiv verändern.« (Silvia Federici, 2020)
»Beim Frauenstreik geht es darum, sich der Macht bewusst zu werden, die wir bereits besitzen - den Widerstand zu aktivieren und zu nähren. Er stößt in das Zentrum der Politik vor. Er bringt kollektive Lösungen für unsere individuellen Erfahrungen hervor«. (Women’s Strike Assembly, London, 2021)
»Das Konzept der feministischen ‘potencia’ spiegelt diese Art von Bewegung wider, indem es auf eine alternative Theorie der Macht hinweist. […] Letztlich ist es die Bejahung einer anderen Art von Macht: die der gemeinsamen Erfindung gegen die Enteignung, des kollektiven Genusses gegen die Privatisierung und der Ausweitung dessen, was wir im Hier und Jetzt als möglich wünschen.« (Veronika Gago, 2020)
Am 8. März ist internationaler Frauen:streik. Der Streik ist die Verweigerung der Arbeit, die Frauen* leisten: unbezahlt oder bezahlt, mit Kindern, älteren Menschen oder Kranken, in Büros oder Fabriken. Insbesondere aber gilt der Streik der Sorgearbeit. Sorgearbeit ist der Logik der Lohnarbeit entzogen: Sie scheint auf keinem Gehaltszettel auf; sie hat keinen Vertrag. Denn sie ist »Arbeit aus Liebe«. Stoppen wir Frauen * unsere Arbeit in Wohnungen, Gemeinden, Küchen, Kantinen, Schlafzimmern, Kindergärten, Schulen, Straßen, Bordellen und Krankenhäusern, kommt die Welt zum Stillstand.
HOW TO CHANGE EVERYTHING schließt sich dem Streik der Frauen * und somit der internationalen Frauenbewegung an, die in den letzten Jahren immer entschlossener geworden ist. Von Argentinien bis Polen, von Spanien bis Italien, von der Türkei bis Kurdistan, von Thailand zu den Philippinen knüpfen Frauen* - queere, lesbische, schwarze, indigene, muslimische, migrantische, Arbeiter:innen und Transfrauen - Verbindungen, bilden Bündnisse und erheben ihre Stimme: Gegen die globale kapitalistische Ausbeutung, gegen sexuelle und rassistische Gewalt, gegen Femizide, gegen die Kriminalisierung von Migration und Flucht, gegen institutionelle Gewalt von Staat und Kirche, gegen das Abtreibungsverbot.
HOW TO CHANGE EVERYTHING versammelt künstlerische und aktivistische Beiträge, die Sorgearbeit ins Zentrum stellen. Sie rücken das scheinbar Private ins Öffentliche, politisieren Haushalts- und Care-Arbeit (Lena Rosa Händle und Mariana Chiesa Mateos), zeigen die rassistische Gewalt an den Körpern von Müttern * und Neugeborenen * (Daniela Ortiz), kollaborieren mit Sexarbeiter:innen in der Politisierung von Frauenarbeit jenseits moralisierender Positionen (Petra Bauer), begleiten und dokumentieren die Kämpfe und Aktionen von rassifizierten Frauen* in Wien (Marisel Orellana Bongola und Jessica Cortina López) und reflektieren die Implikationen von neoliberaler Unsicherheit und Hyperindividualismus für die mentale kollektive Gesunheitheit (María Ruido). Wir brauchen neue Rituale, die uns über die Differenzen hinaus und mit der Erde verbinden (Mariana Chiesa Mateos). Die Kämpfe gehen weiter, und die Musik vergangener Kämpfe hallt in der Gegenwart nach (Jacqueline Hoàng Nguyễn).
Es ist unmöglich, deshalb ist es notwendig. Wir fordern das Unmögliche, um das Mögliche wirklich zu machen. Unsere Arbeit ist nicht umsonst. Denn die Unmöglichkeit, die Reproduktion des Lebens zu verweigern, verweist auf das Potential, die einer radikalen Praxis von Sorge innewohnt: Gesellschaftliche Verhältnisse jetzt zu verändern und unsere gelebte Realität zu gestalten. »Ich glaube, dass unsere Vorstellungskraft - insbesondere die Teile unserer Vorstellungskraft, die das enthalten, was wir am meisten begehren, was uns Vergnügen bereitet, was uns dazu bringt, Ja!, zu schreien - der Ort ist, an dem wir die Zukunft säen, uns der Gerechtigkeit und Befreiung zuwenden und uns neu programmieren müssen, um ein sexuell und erotisch ermächtigtes Leben zu wünschen.« (Adrienne Maree Brown, 2019)
Im Sinne der »joyful militancy« (Silvia Federici) und des »pleasure activism« (Adrienne Maree Brown) geht es um lebensbejahende, lustvolle, transformierende Erweiterung und Gestaltung von Handlungsraum. Die Sorge ins Zentrum des gemeinsam geteilten Lebens zu stellen, heißt, einen Kampf um ein besseres Leben zu führen, jetzt, hier, für alle und überall.
BEGLEITPROGRAMM
MITTWOCH, 9. MÄRZ 2022, 18:00 Uhr
Radical Care durch Bewegung und Stille. Gemeinsame Übung, gefolgt von einem Gespräch mit Shabari Rao (Englisch) Offen für alle Geschlechter, Altersgruppen und Dis/Abilities. Anmeldung unter: francesca@fluc.at
Shabari ROA, Künstlerin und Akademikerin, beschäftigt sich mit Bildung, psychischer Gesundheit, Gender und Umwelt. Ihre Arbeit umfasst eine Vielzahl on Praxen: Performance, Kuratieren, Lehren, Schreiben und seit kurzem auch experimentelle Film- und Audiopraxis.
MITTWOCH, 16. MÄRZ, 2022, 18:00 Uhr
Lesegruppe (Deutsch und Englisch)
Offen für alle Geschlechter, Altersgruppen und Dis/Abilities. Details werden demnächst bekannt gegeben. Anmeldung unter: francesca@fluc.at
MITTWOCH, 23. MÄRZ 2022, 19:00 Uhr
Feministisches Filmemachen: Feministischer Streik, radikale Fürsorge und Kollaborationen Filmvorführung (Englisch), gefolgt von einem Gespräch mit geladenen Gästen. Details werden demnächst bekannt gegeben.
DIENSTAG, 29. MÄRZ 2022, 19:00 Uhr
Commoning Care & Collective Power: Childcare Commons and the Micropolitics Buchpräsentation und Gespräch mit Manuela Zechner, feministische Forscherin, Moderatorin und Künstlerin. (Englisch, Spanisch und Deutsch). Commoning Care & Collective Power zeichnet die doppelte Genealogie von Kinderbetreuungs-Commons und der Mikropolitik des Kommunalismus in Barcelona nach. Die Autorin zeigt, wie Basisbewegungen nach der spanischen 15M-Bewegung neue institutionelle Experimente in Angriff nahmen, die von K mpfen um soziale Reproduktion und einer neuen feministischen Politik geprägt waren.
Manuela Zechner ist eine feministische Forscherin, Moderatorin und Kulturarbeiterin. Ihrderzeitiger Schwerpunkt liegt auf K mpfen zwischen Fürsorge und kologie, da sie den
Earthcare-Podcast mitproduziert und Teil der entstehenden Common Ecologies-Schule ist. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos.
Einzelheiten werden über Facebook undexterner link www.fluc.at/programm/2022_Flucwoche09\.html bekannt gegeben.
KÜNSTLERISCHE ARBEITEN
Marisel Orellana Bongola hält in ihren Fotografien die Kämpfe der BIOPC Frauen und öffentlichen Aktionen in Wien fest.
Jessica Cortina López zeigt sich für die Plakate und Grafiken des Bloco Descolonial in Wien verantwortlich. Mariana Chiesa Matos La otra cerimonia ist eine dekoloniale, feministische Wiederaneigung der Arete-Guasú-Zeremonie der Chiriguano-Chané-Stämme. Die Künstlerin greift die Tiermaske des Jaguar auf, die in den Feierlichkeiten zum Einsatz kommt. Als Hommage an die indigenen Körper, Frauen und Mädchen ruft La otra cerimonia einen rituellen Kampf gegen koloniale und patriarchale und sexualisierte Gewalt auf.
Petra Bauer zeigt mit Workers! ist das filmische Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Collective, HER Film und SCOT-PEP, einer von Sexarbeiter*innen geführten Organisation in Schottland. Der kollektive Ansatz der dem Film zugrunde liegt versteht sich als Instrument zur Erkundung von Debatten über Frauenarbeit jenseits der polarisierenden Spaltungen, die im Feminismus in Vergangenheit und Gegenwart vorherrschen.
Lena Rosa Händle »Cuidarse es Revolucionario / To Care is Revolutionary« Das Interesse der Künstlerin gilt der Fürsorgearbeit verschiedener von Frauen verschiedener Generationen, sozialer Schichten und sowohl ländlicher als auch städtischer Umgebungen in Spanien. Das Atelier der Künstlerin in Barcenilla de Piélagos war der Schauplatz für Begegnungen, bei denen die Gemeinsamkeiten, Verbindungen und geteilten Erfahrungen als roter Faden und Bindeglied zwischen allen Werken fungieren.
Jacqueline Hoàng Nguyễn greift mit The Wages Due Song, 2016 das Protestlied des gleichnamigen Kollektiv Wages Due Lesbians auf, das Teil der Internationalen Kampagne Lohn für Hausarbeit war. Das Klangstück basiert auf dem Text von The Wages Due Song, geschrieben von Boo Watson im Jahr 1974. Die aktuelle Version ist in Zusammenarbeit mit Thunder Tillman entstanden.
Daniela Ortiz’ Arbeit mit dem Titel Risk Factors (2019), zeigt das Foto ihres neugeborenen Kindes neben der Liste der Indikatoren erscheint, die die Generaldirektion für Kinder- und Jugendfürsorge (DGAIA) der Generalitat de Catalunya verwendet, um vorherzusagen, welche Umgebungen ‘angemessen’ sind und welche Mütter untersucht werden sollten.
María Ruido verarbeitet in Estado de malestar (2018-19) Krankheit und psychisches Leiden in kapitalistischen Zeiten. Ruido legt den Schwerpunkt auf den sozialen Zustand der chronischen Traurigkeit, eine Form des Schmerzes, insbesondere auch von Frauen*, die als privat empfunden wird, obwohl sie mit der Last der Arbeitsplatzunsicherheit, der ewigen Ungewissheit und des extremen Individualismus verbunden ist, die wir zu tragen gezwungen sind.
BIOGRAFIEN
Petra Bauer arbeitet mit selbstorganisierten Frauen*gruppen zusammen und erforscht Methoden und Möglichkeiten der Kollaboration. Sie beschäftigt sich mit Formen feministischer Organisation und politischem Widerstand sowie deren ästhetischer Artikulation. Marisel Orellana Bongola, in Chile geboren, geflüchtet nach Österreich. Die Fluchterfahrung bewegt sie, in Antirassismus-, Feminismus- und Community Organisationen tätig zu werden. In ihren Fotografien hält sie die Kämpfe der BIOPC Frauen und öffentlichen Aktionen in Wien fest.
Mariana Chiesa Mateos, geboren und aufgewachsen in Argentinien, lebt in Italien und Argentinien. Sie arbeitet mit Lithografie und Siebdruck sowie in den Medien der Illustration, Grafik, Performance und des Textilen, des Kinderbuchs. Ihre Arbeit thematisiert u.a. neo/koloniale Gewalt- und Ausbeutungsverhältnissen, denen sie eine dekoloniale feministische Perspektive der Verbindung der Lebensbejahung entgegen stellt.
Jessica Cortina López, geboren in Mexiko-City, stammt aus einer Künstler:innenfamilie und lebt in Wien. In ihrer Kunst arbeiter sie mit Keramik, Metall, Glas, Gips und Stein sowie künstlerischer Tätowierung, Malerei und Skulptur.
Lena Rosa Händle ist Künstlerin und Dozentin für künstlerische Fotografie. In ihren Installationen, Collagen, Fotografien und Skulpturen verhandelt sie mit großer Offenheit die sozialen Realitäten, Sichtbarkeiten und kulturellen Codes von Menschen, denen sie begegnet. Ihre Praxis stellt utopische Potentiale für eine lebenswertere Zukunft in den Vordergrund.
Jacqueline Hoàng Nguyễn untersucht aus feministischer Perspektive und anhand von Archiven und anderer Medien Fragen von Historizität, Kollektivität, utopischer Politik und Multikulturalität. Geboren in Côte-des-Neiges (Tiotia:ke/Montreal), lebt sie derzeit in Stockholm und Paris.
Daniela Ortiz’ künstlerischer Praxis untersuchen europäische Migrationskontrollsystem und seinen kolonialen Verbindungen sowie die von europäischen Institutionen geschaffenen Rechtsstrukturen, die Gewalt an migrantischen Gemeinschaften ausüben.
María Ruido untersucht die Vorstellungen von Arbeit im postfordistischen Kapitalismus sowie über Mechanismen, die das Gedächtnis und seine Beziehungen zu den verschiedenen historischen Erzählungen konstruieren. Aktuell beschäftigt sie sich mit dem dekoloniale Imaginären und seine emanzipatorischen Möglichkeiten.
KURATORIN
Barbara Mahlknecht ist eine feministische Forscherin, Kuratorin und Kulturproduzentin in Wien. In diesen Rollen, aber auch als Tochter, Mutter, Pflegerin und Hausangestellte, reflektiert sie über die radikale Geschichte der Kämpfe um soziale Reproduktion und Pflege, die für zeitgenössische feministische Aufstände und Aufbrüche von Bedeutung sind. Die Schaffung von Bewusstsein, Erinnerung und Aktion durch aktivistische, künstlerische und kuratorische Praktiken der Vergangenheit und der Gegenwart, feministische Kämpfe könnten es den heutigen Generationen von Feministinnen ermöglichen, sich in einer »genealogischen Politik« (Kate Eichhorn) zu engagieren, »um das Leben zu unseren eigenen Bedingungen zu erschaffen und diese Schöpfung langfristig zu erhalten.« (Avery Gordon).