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Siggi Hofer, Dineo Seshee Bopape, DIS Event
Siggi Hofer: Still Life
Dineo Seshee Bopape: Lerato le le gole (…la go hloka bo kantle)
DIS: How To Become A Fossil
Eröffnung: Donnerstag, 3. März 2022, 18 – 21 Uhr
Siggi Hofer
Still Life
Siggi Hofer arbeitet mit Zeichnung, Malerei, Skulptur, Installation, Video, Performance, Text und Kuratieren als künstlerischer Praxis. Er setzt sich mit der Analyse gesellschaftlicher Prozesse und vermeintlicher Wirklichkeiten in unserem Lebensumfeld auseinander und versucht so, neue Denkansätze zu entwickeln.
Hofers bunte, grafische Bildsprache, seine gemalten, auf einem Rastersystem basierenden Piktogramme ebenso wie seine gemalten Textbotschaften suggerieren unmittelbare Lesbarkeit, vor allem vor dem Hintergrund einer zunehmend bildlastigen Kultur, die mehr und mehr auf die universelle Lesbarkeit von Zeichen setzt. Die Ordnung und Klarheit der vermeintlich einfachen Bildbotschaften Hofers erweist sich bei näherer Betrachtung als überaus mehrdeutig und enigmatisch. Durch alle Medien hindurch praktiziert der Künstler ein subtiles und medienreflexives Spiel mit Bedeutungen und Referenzen, mit Erzählformen, autobiografischen Verweisen und gesellschaftlichen Beobachtungen und Kommentaren.
Seine Ausstellungen sind Raumkompositionen, in denen die einzelnen Werke ihre Autonomie aufgeben und Teil eines größeren Ganzen werden. Schicht für Schicht baut er ein dichtes Beziehungsgeflecht im Raum auf, in dem alles durch unsichtbare Erzählfäden miteinander verbunden und zu einem Metatext verwoben ist. Diese Technik findet sich auch in seinen Texten wieder, die meist essayistisch und autobiografisch tief in die Gedankenwelt des Künstlers einladen. In diesen Texten finden sich häufig Bezugnahmen auf die eigene Kindheit, die sich in vielen Motiven, sei das in der Darstellung oder Verwendung von Spielzeug oder der Bezugnahme auf Charaktere aus der Jugendkultur wie Comicfiguren, in den Werken spiegelt. Entlang dieser Bilder erstellt Hofer gleichsam subjektive wie überindividuelle Momentaufnahmen unserer Gesellschaft.
Siggi Hofer, geboren 1970 in Bruneck, Sürditol, lebt und arbeitet in Wien.
Dineo Seshee Bopape
Lerato le le gole (…la go hloka bo kantle)
In ihren eindrücklichen Installationen und Videoarbeiten beschäftigt sich Dineo Seshee Bopape ausgehend von der Geschichte ihres Heimatlands Südafrika mit Erinnerung und Herrschaftsmacht über Land und Körper in Bezug auf die Lebenserfahrungen afrikanischer Völker. Ihre Arbeit ist geprägt von der Suche nach einer visuellen, klanglichen und materiellen Sprache, die eine eigenständige Ästhetik beschwört. Sie bringt die Wiederstandfähigkeit und Heilung der afro-diasporischen Völker ebenso zum Ausdruck wie die anhaltenden Energien des Widerstands und der Emanzipation von der Gewalt des übermächtigen kapitalistischen Patriachats.
Bopape verwendet in ihren Arbeiten sorgfältig ausgewählte alltägliche Materialien wie Erde, Ton, Stoff, Kunststoffbehälter, Farbe und digitale Medien. Ausschlaggebend für die Wahl der Materialien sind die daran geknüpften Ideen von Politik, Ästhetik, Metaphysik des Selbst/Geistes, Souveränität, Gegenwart, Heimat, Land und Wasser, Sprache, Gesang und Erinnerung.
Ihre Installationen sind dichte Konstellationen politisch und symbolisch aufgeladener Elemente, die durch eine intensive Körperlichkeit überzeugen. Für ihre Arbeit sa__ke lerole (sa lerole ke__) (2016) beispielsweise ließ die Künstlerin große Mengen komprimierter Erde zu riesigen geometrischen Formen pressen, in die sie Kräuter, Asche, Holzkohle und Blattgold pflanzte. Sie fungieren als Schreine, Denkmäler oder Sockel, um „Erinnerungen“ an persönliche und kollektive Ereignisse in verschiedene Epochen der Geschichte der afrikanischen Diaspora (und der einheimischen Völker) hervor und wach zurufen.
Dineo Seshee Bopape, geboren 1981 in Polokwane, lebt und arbeitet in Johannesburg.
DIS
How To Become A Fossil
In der Ausstellung No Homo präsentiert das Kollektiv DIS sein bedeutendes neues Werk Everything But The World (2021, 38 min) in einer ortsspezifischen Installation sowie eine Skulptur im Außenbereich der Secession.
Der als TV-Pilot konzipierte Film Everything But The World will Geschichte(n) neu erzählen. Mit dem Format einer genreübergreifenden Doku-Science-Fiction-Serie hat man sich noch dazu weit von den Prämissen einer Natursendung entfernt, ist doch der Blick der Kamera auf die am wenigsten natürliche Erfindung der Natur gerichtet: auf uns.
Everything But The World hinterfragt die post-aufklärerischen Vorstellungen von „Fortschritt“, indem die repetitiven Bewegungen des heutigen Lagerarbeiters mit Aktivitäten in Verbindung gebracht werden, denen man sich vor etwa 10.000 Jahren gewidmet hatte, als viele unserer Vorfahren vom Jagen und Sammeln zur Vollzeitlandwirtschaft übergingen.
„Das ist die Geschichte, wie es mit deinem Besitz und deinem Aufstieg weitergeht. Ende Gelände. Und Baby, du hast nicht überlebt.“
Shock Jock, Everything But The World
In der ersten Folge wird die Burg zum Symbol für Privateigentum und Unterwerfung: vom Castello Caetani, das einst Papst Alexander VI. in seinen Besitz gebracht hatte, über den juristischen Begriff „castle doctrine“, mit dem in den USA die Verteidigung des eigenen Heims gerechtfertigt wird, bis hin zu einer existenziellen Tirade, die ein Angestellter der Fast-Food-Kette White Castle vom Stapel lässt. Everything But The World durchbricht die vierte Wand der Zivilisation und untersucht, was es bedeutet, ein Mensch zu sein ‒ wobei man auf dieser Tour de force durch die lange Geschichte von Arbeit, Geschlecht, Ethnie und Technologie auch ständig zwischen der globalen Existenz der Menschheit und der Winzigkeit unseres individuellen Lebens hin und her wechselt.
Everything But The World zeigt kein Interesse an unbestreitbaren Wahrheiten und gewöhnlichen Konventionen, ebenso wenig wie die Zeit linear zusammenzupressen. Aus der Perspektive unserer knapp bemessenen Lebenszeit mag es schwer zu sehen sein, aber Geschichte ist keine Erzählung von Evolutionen und Konstanten, sondern von Veränderungen und Revolutionen. Wenn wir jedoch erkennen, dass das nicht die Welt ist, sondern eine unter vielen möglichen, welche Welten könnten uns dann noch erwarten, nach dem Ende?
Da sich Zivilisationsphantasien wie dieses Projekt nicht allein realisieren lassen, haben unzählige Menschen an Everything But The World mitgewirkt: die unzuverlässige Erzählerin (Leilah Weinraub), ein früher Mensch (Omayhra Mota), der freundlich-drohende de-extinktionsenthusiastische Showmaster Branch (Ryan Trecartin) und seine unvermeidlich-fossile Kollegin Banter (Lizzie Fitch), ein Drive-thru-Redner (Brontez Purnell) und ein legendärer Bürgerrechtsanwalt (Ron Kuby). Die Texte stammen unter anderem von Ava Tomasula y Garcia, Casey Jane Ellison, Leah Hennessey und Emily Allan; einzelne Beiträge sind zum Beispiel unter der Regie des Künstlers Abdullah Al-Mutairi und des Filmemachers Theo Anthony entstanden. Zu guter Letzt hat Anthony Valdez das gesamte Material zusammengeschnitten und mit einem Soundtrack von Fatima Al Qadiri verwoben.
DIS ist ein kollaboratives Projekt von Lauren Boyle, Solomon Chase, Marco Roso und David Toro. Von New York aus wirkt das Kollektiv sowohl künstlerisch als auch kuratorisch in einem breiten Feld von Medien und Plattformen, die Methoden der Produktion, Nutzung und Verbreitung von Content online nutzen. 2010 gründeten sie zunächst das Online-Magazin DIS Magazine, wo sie Modebeiträge neben Musikmixes und kritischen Essays veröffentlichten. Später folgten eine Bilddatenbank (DISimages) sowie ein Online-Shop (DISown) mit Produkten und Accessoires von Künstler*innen. 2018 wurde dismagazine.com mit ihrer neuen Streamingplattform dis.art ersetzt. DIS hat mittlerweile Möglichkeiten und Potenzial von Kunst und ihre Rolle in kreativen, kommerziellen, pädagogischen und öffentlichen Bereichen – miteinander vereint – weiterentwickelt und erhöht.
Von Anfang an hat das Kollektiv neben dem Magazin auch künstlerische Projekte realisiert und in anderen Plattformen agiert, wie Ausstellungen im MoMA und dem New Museum in New York. 2016 kuratierten die KünstlerInnen des Kollektivs die IX. Berlin Biennale. 2016 kuratierte das Künstler*innenkollektiv die Berlin Biennale; zuletzt haben sie gemeinsam mit Andrea Bellini, dem Direktor des Centre d’Art Contemporain Genève die dort stattfindende Biennale de l’Image en Mouvement 2021 kuratiert.
DIS ist ein in New York ansässiges Kollektiv, das 2010 dort gegründet wurde.
Zu den Ausstellungen erscheint jeweils ein Künstlerbuch.