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Karoline und Kasimir - Noli me tangere Event
Uraufführung
nach Ödön von Horváth
Ein Stück von Nature Theater of Oklahoma, Deutsch von Ulrich Blumenbach
„Was falsch ist, wird verkommen / Obwohl es heut regiert. / Was echt ist, das soll kommen – / Obwohl es heut krepiert.“
Wien, 2022. Eine kleine Truppe von Schauspieler*innen, begleitet und dokumentiert von einem Filmteam, probt und spielt dann am Volkstheater Ödön von Horváths „Volksstück“ KASIMIR UND KAROLINE. Man* recherchiert dazu im Nachlass des Dichters und findet unter anderem ein autobiographisches Romanfragment mit dem Titel ADIEU, EUROPA! Darin skizziert Horváth: Emigration in kleinen Schritten – vielleicht wollte er nach Hollywood – einen opportunistischen Theater- und Literaturbetrieb, der den bei den Nazis verfemten Autor quasi in Quarantäne stellt; oder: ein Irrenhaus, wo immerhin eine gewisse Freiheit mit der Göttin der Kunst lockt. Dieses sind nur einige Spuren, auf denen sich die Theatergruppe – ähnlich wie in Jacques Rivettes dreizehnstündigem Filmepos OUT 1: NOLI ME TANGERE – bei den Proben immer mehr verliert und in Verschwörungstheorien abdriftet.
Ein großer Dreh als Konspiration der Fakten und Fiktionen: Expert*innen stellen auf und hinter der Bühne Fragen nach dem tatsächlichen Hergang von Horváths tödlichem Unfall, der laut offiziellen Angaben 1938 in Paris durch einen vom Blitz getroffenen Ast passierte.
Während sich die Theatermenschen über derartigen Themen wie unter einem Glassturz bewegen, erhebt sich ein seltsames Gewisper in den Logen. In Literaturarchiven werden angeblich neue Details und Handschriften zutage gefördert. Im Prater kommt es zu konspirativen Treffen. Schleichend wird die ganze Stadt zur Bühne mysteriöser Manöver und Winkelzüge.
Nach den Lockdowns der vergangenen Monate stellt sich im Volkstheater-Debüt des US-amerikanischen Nature Theater of Oklahoma (Kelly Copper und Pavol Liška) einmal mehr die Frage: Wieviel müssen Kunst und Kultur riskieren, um eine kritische Öffentlichkeit zu erreichen, wenn nicht gar zu kreieren? Wie zuletzt bei ihrem Film- und Performanceprojekt DIE KINDER DER TOTEN (steirischer herbst 2017) verkehren sie Filmdrehs in Live-Performances, in denen der Aufzeichnungsapparat selbst zum Bühnenhelden wird.