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Karin Hatwagner: Nach der Flut Event
Die Klimakrise ist nicht nur das, was drohend bevorsteht. Für Millionen von Menschen hat sie längst stattgefunden. Anstatt auf die Apokalypse zu warten, lohnt es sich deshalb zu verstehen, wie Menschen mit dem Verlust ihrer Welt umgehen, wie sie lernen die Katastrophe als Alltag zu verstehen und in den Verwüstungen zu leben, wie sie in den Ruinen der Moderne gemeinsam eine neue Zukunft entwerfen. Desaster-Kommunismus hat das die große Essayistin Rebecca Solnit einmal genannt. Karin Hatwagners Arbeiten sind in diesem Sinne nach der Flut entstanden. Mit Leichtigkeit entwerfen sie eine Welt, in der sich Menschen und Dinge mit radikaler Zärtlichkeit begegnen.
Was uns überflutet sind nicht nur die steigenden Meeresspiegel, sondern ebenso eine Flut an Waren, die wir kaum gekauft, schon wieder zu Abfall degradieren, zu CO2 verbrennen, auf Müllbergen abladen, in den globalen Süden verschiffen oder einfach im Meer verklappen. Aber Abfall, das was aus der reinen Hochglanzwelt abfällt, lässt sich auch als Zufall verstehen. Karin Hatwagner sieht die Dinge als Zufälle, als das, was ihr zufällt. Sie findet sie, sammelt sie, schützt sie, kümmert sich um sie und gibt ihnen einen Selbstwert. Sie restauriert sie und arbeitet sich fast schon archäologisch durch ihre Schichten. Sie liest die Sprache von Holz, von Goldfolie, von Stoffen und Metallteilen, eine stumme Sprache der Dinge, die in ihrer Materialität geborgen liegt. Dann enthüllt sie die Dinge und bringt ihre Aura zum Scheinen.
Hatwagner assembliert ihre objects trouvés behutsam zu zerbrechlichen Skulpturen und Installationen, in denen ein Weltverhältnis der radikalen Zärtlichkeit aufleuchtet. Sie sieht in den weggeworfenen und verlassenen Dingen nicht den Abfall, sondern die Trümmerteile einer Welt, die verworfen wurde, einer Welt, in der es sich zwar nicht im Überfluss aber trotzdem gut leben ließe. „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“, hat Adorno proklamiert, aber er hat auch die Kraft der Kunst und der Assemblage herausgehoben, zumindest am Horizont etwas Wahrheit aufscheinen zu lassen. Hatwagner vertraut auf diese Kraft. Ihre Antworten auf die Verwüstung der Welt sind die unbedingte Sorge um die Dinge und die Anerkennung ihrer und der eigenen Verletzlichkeit. Ihre Arbeiten stellen sich mutig dem Verlust und entwerfen trotzdem vertrauensvoll die Zukunft. Nach der Flut richten sich Hatwagners Arbeiten wertschätzend und leicht in einer zerbrechlich gewordenen Welt ein.
Text: Johannes Siegmund
Eröffnungstag: Samstag, 22.01, 16–20 Uhr
Um 18.00 Uhr findet die Performance „Fellpflege“ statt.
Ausstellungsdauer: 22.01–06.02.2022
Öffnungszeiten: Sa. 29.01 und 05.02 jeweils 12–16 Uhr
und nach Vereinbarung