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HYBRID
Unknown Identities
Iris Andraschek, Sarah Bogner, Max Landegren, Alban Muja, Markus Hofer/Roman Pfeffer, Andrea van der Straeten, Rini Tandon, Josef Zekoff
Es waren Forscherpersönlichkeiten, wie Gregor Mendel (1822-1884), die den Begriff des Hybriden prägten. Als Hybrid wurden Organismen bezeichnet, deren Eltern von unterschiedlicher Art waren. So gesehen, handelt es sich weder um eine Eigenschaft, die vom Träger selbst zu erwerben ist, noch um eine bestimmte äußere Qualitiät. Der Begriff richtet sich vielmehr auf dessen Herkommen, auf das Erbe einer im Verborgenen wirkenden Konstitution. Mit ethisch unbedenklichen Experimenten im Pflanzenreich, ist es Gregor Mendel gelungen, jene Gesetzmäßigkeiten vor Augen zu führen, nach denen die genetische Konstitution die äußere Erscheinung eines Lebewesens bestimmt. Doch bereits seit der Antike wurde die Kulturtechnik künstlicher Hybridisierung in der Obstgärnerei eingesetzt. In freier Natur lässt sie sich vorallem dann beobachten, wenn sich Lebensräume verschieben. Ob eine solche der Evolution dient oder sie hemmt, ist bis heute eine ungeklärte Frage.
Die Bildgeschichte der „Zwitterwesen“ reicht viel länger zurück. Schon seit frühesten Zeiten scheint sich menschliche Imagination an Körperphantasmen geübt zu haben, die Widersprüchlichem Gestalt verleihen. Was diese Wesen auszeichnet, ist ein außergewöhnlicher Körper. Gegensätzliche Potentiale verwachsen nahtlos zu schillernder Identität. Mit Hybridwesen dieser Art haben sich verschiedene Kulturen Projektionsflächen für uneinschätzbar Zweideutiges geschaffen. In ihrer Dualität widerstandsfähiger und mächtiger als der Mensch, gelten sie in Mythologie und Religion als Träger mysteriöser Stärke.
Im Kontext postkolonialer Debatten und der sich zeitgleich vollziehenden digitalen Revolution haben sich Bedeutung und Bilder des Hybriden fundamental verändert und erweitert. Homi K. Bhabha (* 1949 Mumbai) löste den Begriff von Biologie und Körper und übertrug ihn auf Felder des Ethnischen und Kulturellen. Aus postkolonialer Perspektive liefert die Idee des ursprünglich eher furchteinflössenden Hybriden ein positives Modell, einen Raum zu denken, in dem eine hierarchielose Koexistenz von Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Prägung möglich wird. Das Treppenhaus oder die Brücke dienen als Metaphern, um diese Sphären jenseits von binären Ordnungsschemata zu umschreiben. In Homi K. Bhabhas Vision eines solchen „Dritten Raumes“ können sich Subjekte, befreit von fremder Macht und Autorität, entfalten. Dass sich eine Person ohne Unterschied zwei oder mehreren kulturellen Räumen zugehörig fühlen kann, ist heute selbstverständlich geworden. Das Erleben komplexer Situationen, in denen sich ein gleichwertiges Nebeneinander von Unvereinbarem auftut, scheint vielmehr zur Signatur aktueller Alltagserfahrung geworden. Viceversa ist das Hybridwesen zum populären Lieblingskind digitaler Bilderzeugung geworden..
Doch was bedeutet die Lebenswirklichkeit dieser Entwicklung tatsächlich? Allein die Frage, was das Gegenteil von Hybridität sein könnte, verläuft in vielsagende Leere. Das Pure, wie das eindeutig Lokalisierbare, entpuppen sich als Utopien. In seinem preisgekrönten autobiographischen Roman „Herkunft“ schildert der Autor Saša Stanišić 2019 das Lebensgefühl der Ortlosigkeit einer Generation von Migranten, die zwischen verschiedenen Kulturen aufwächst und um ihre Identitätskonstruktion kämpft. Das Land der Eltern gibt es nicht mehr. „Ich bin ein egoistisches Fragment“ bekennt der Protagonist. Der Sehnsucht nach Herkunft antwortet das Vergessen der Großmutter und der selbsterhaltende Erfindungsgeist, der eine Geschichte nach der anderen erzählt. Ohne Ende hybrid. Die Kategorie „Herkunft“ erweist sich als unverfügbar. Sie greift nicht mehr. Ist „hybrid“ eine Chance oder der Preis für Globalisierung?
In HYBRID Unknown Identities stellt die Galerie Raum mit Licht acht künstlerische Positionen aus Österreich, Schweden und dem Kosovo vor. In freier Korrespondenz zu den drei Themenfeldern hybrid nature (Iris Andraschek, Andrea van der Straeten), hybrid body (Sarah Bogner, Max Landegren, Markus Hofer/Roman Pfeffer, Josef Zekoff) und hybrid mind (Alban Muja, Rini Tandon) setzen sie sich in verschiedenen Medien mit der Problematik unlösbarer Ambiguität auseinander und spannen den Bogen von Fragen zur Evolution bis zu Diskursen um Identitätsprojektionen in Gesellschaften, die in Transformation begriffen sind.
Kuratorin:
Heidrun Rosenberg (* 1963 ) studierte Tanz, Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Geschichte in München, Berlin und Düsseldorf. Sie war Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung. Neben Lehraufträgen an den Universitäten Freiburg und Wien, hat sie an Ausstellungskonzepten in verschiedenen Häusern mitgewirkt. Zu diesen zählte die Umsetzung der Ausstellung Kunst als Grenzbeschreitung. John Cage und die Moderne (Neue Pinakothek, München 1991) ebenso, wie die Kuratierung der Jubiläumsausstellung: Wien 1365 – eine Universität entsteht mit Interventionen zeitgenössischer Künstler (Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien 2015). In letzter Zeit widmete sie sich vermehrt der modernen und aktuellen Kunstszene Österreichs und hat unter anderem das Buch Rudolf Schönwald. Kunst im Kalten Krieg (2019) herausgegeben.