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Prozesse des Unbewussten Event
Der Künstler wird vor Ort sein
Die Küche, das Atelier.
Informelle Fotografie als Prozesse des Unbewussten im Werk von René Stessl
Der französische Kunstkritiker Michel Tapié prägte 1951 in seinem Aufsatz über eine Ausstellung im Pariser Studio Facchetti den Begriff des art informel, um eine nicht-geometrische, abstrakte Kunst zu bezeichnen. Eine gewisse Formlosigkeit sowie Spontanität zeichneten diese Malerei aus, die kurz darauf auch deutsche Maler wie K.O. Götz und Hans Hartung inspirieren sollte. Ersterer wiederum war Vorbild für den österreichischen Künstler René Stessl (*1974), der die informelle Tradition der Malerei ins 21. Jahrhundert überführte. Ein weiteres besonderes Merkmal — und damit näherte sich die informelle Malerei dem Surrealismus an — ist der ungeregelte Arbeitsprozess, der den Moment des Unbewussten regelrecht zelebriert.
Seit dem Jahr 2018 entstehen so Werke, die Stessl zu der Kitchen Abstracts bezeichneten Serie zusammenfasst. Diese Werke sind nicht mehr Malerei, sondern informelle Fotografie — mal in Farbe, mal schwarz-weiß. Im Zentrum stehen Vorgänge, die Stessl als gelernter Koch zufällig, jedoch mit dem an Malerei geschulten Auge, nicht im Atelier sondern beim Kochen in diversen Küchen bemerkte und fotografisch festhielt: Spuren auf Schneidebrettern, Details von Fleisch und Gemüse, Reste von Saucen und Dressings. Auf ungemein faszinierende Weise öffnen sie uns Betrachtenden die Schönheit des Alltäglichen. Stessl tauscht hier das Atelier mit der Küche. Beides sind quasi Un-Orte, die gemeinhin der Öffentlichkeit vorenthalten werden, da hier Dinge erst entstehen, bevor sie an ihren eigentlichen Bestimmungsort — entweder in einer Ausstellung oder in einem Gastraum — gebracht werden. Auf Stessls Fotografien finden sich Fragmente von Materialitäten. Es sind Zutaten, wie sie sich auf unseren Einkaufszetteln wiederfinden können: Rotkohl, Tomaten, Salat. Diese Spuren treten bei Stessl wie die Farbe bei Malerei in Erscheinung. Bei Stessl wird das Messer zum Pinsel, das er je nach Anwendung bewusst oder unbewusst führt. Die Kitchen Abstracts fungieren somit als “Optimierung, als absolutes Destillat meines Anspruches oder Ansatzes an gestische Malerei”, so Stessl im Gespräch mit dem Verfasser. Mehr noch: sie führen uns Betrachtenden nicht nur die Schönheit des Alltäglichen vor Augen. Sie öffnen uns diese für die Ästhetik des Unbewussten, selbst wenn sie in der Küche lauert.
Hendrik Bündge