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Thomas Reinhold, Maruša Sagadin Event
Verlängert bis 30.5.
Eröffnung: Donnerstag, 5. März 2020, 18 - 21 Uhr
bis 11. April 2020
Gemeinsame Eröffnung mit Gabriele Senn, unttld contemporary, gallery 12-14, Lisa Kandlhofer und mumok
Die Bildhauerin Maruša Sagadin und der Maler Thomas Reinhold vertreten zwei sehr distinkte, individuelle Positionen, die ganz unterschiedliche ästhetische Wege gehen. Und doch gibt es Versuchsanordnungen bei beiden Künstlern, die eine Zusammenschau erlauben: Das Spiel mit dem Unvorhergesehenen, die Dialektik von Form und Auflösung.
Maruša Sagadin stellt kolorierte, vertikal aufragende geometrische Module her, die an Hochhäuser erinnern. Oder horizontale Strukturen in der Form von Sitzbänken, auf die sich der Betrachter am liebsten gleich setzen möchte. Beide künstlerischen Setzungen werden von unregelmäßig gerundeten oder gezackten Formen ergänzt, beziehungsweise kontrastiert. Der Betrachter erlebt dies als künstlerische Engführung von manieristischer Wucherung und rationaler quasi-architektonischer Formensprache. Bei Thomas Reinhold fällt zuerst das durch Schüttvorgänge erzeugte abstrakte Ballett der Linien und Flecken ins Auge, das in farblichen Graduierungen zwischen Pastell und kräftigen Couleurs, zwischen heiß und kalt den Bildraum dominiert. Doch was wie eine Fortführung der Drip Paintings von Jackson Pollock oder der Schüttbilder von Hermann Nitsch anmuten könnte, ist in Wahrheit Resultat einer fast mathematischen Versuchsanordnung, die in Skizzen den Malvorgang vorstrukturiert, welcher sich dann mit einer gewissen Lust am Unvorhergesehenen und am Aleatorischen entfaltet: Die Schüttrichtungen der Farben werden vorgegeben und während des Prozesses häufig den sich situativ verändernden Gegebenheiten angepasst, wobei in der vielfachen Wiederholung des Vorganges Überlagerungen stattfinden und palimpsestartige Strukturen entstehen.
So wie man in Thomas Reinholds ungegenständlichen Konfigurationen mitunter Landschaftsformen oder impressionistische Gestalt-Halluzinationen herauszulesen meint, gibt es in den architektonisch-funktionalen Gestaltungen von Maruša Sagadin Narrative, die sich nicht durch den Vorgang des Betrachtens erschliessen, sondern gewissermaßen als Hintergrundstrahlung wirken und in den “ver-rückten” Applikationen zum geometrischen Formenrepertoire nach außen drängen - etwa Bezüge zu femininen und feministischen Topoi, die durch pop- und comic-artige Vergröberungen/ Vergößerungen von Körperteilen evoziert werden. Es geht um Anthropomorphisierung von materialgebundener Gegenständlichkeit, um die fragwürdigen Geschlechterkonnotationen, die sich mit Räumen verbinden und um das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit, das aus als funktional deutbaren Objekten in Maßstabssprüngen Infrastrukturen macht. Kurz: Um ein verwirrendes Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher Nützlichkeit und einem spielerischen Stop Making Sense, das gesellschaftspolitischen Stereotypen entgegenwirken möchte.
“Wir können die Welt nur so wahrnehmen, wie sie uns erscheint,” hat der Philosoph Christoph Türcke einmal geschrieben. “Aber Erscheinungen sind immer bloß eine Außenseite: Erscheinungen von etwas, was selbst nicht erscheint.” Sowohl Maruša Sagadin als auch Thomas Reinhold geben diesem Etwas eine künstlerische Form, die dem Verborgenen zwar nicht zur Erscheinung, aber zu einer ästhetischen Präsenz verhelfen möchte. Realität und Phantasma, Wirklichkeit und Traum, Seinskontrolle und irrationale Entäußerung: So entwickeln die Gestaltungsformen der Abstraktion und der Postmoderne neue Energie.
(Thomas Miessgang, Wien 2020)