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All the Lands from Sunrise to Sunset Event
Eröffnung: Donnerstag, 16. Jänner 2020, 19 Uhr
Die offensichtlichen Wiederholungen in der Menschheitsgeschichte sollten uns nicht überraschen. Im Gegenteil, manch erkennbares Muster kann geradezu als naturgesetzlich verstanden werden. Alessandro Balteo-Yazbeck scheint einige dieser Muster, so provokativ sie auch sein mögen, identifizieren zu wollen. Ironie zu Humor verdichtend begreift er die menschliche Natur als Ursache dieser zyklisch wiederkehrenden historischen Ereignisse. Seine Analyse des herrschenden westlichen Weltbilds zeigt, dass die derzeitige Weltkultur vernetzter, dezentraler – aber auch ironischer ist, als man meinen möchte.
Für seine dritte Einzelausstellung in der Galerie Martin Janda hat Balteo-Yazbeck Materialien und Sujets aus Werbung, Propaganda, Nachrichten, sozialen Medien, Hightech und sogar aus der Raumgestaltung gesammelt und collagiert. Darüberhinaus konnte er einige Künstlerfreunde gewinnen, deren Werke er einbezieht, um uns unsere anthropozentrischen Ängste vorzuführen. In seiner jüngsten Serie All the Lands from Sunrise to Sunset (2018) lassen Variationen dieser alten Maxime eine Evolution der Selbstüberschätzung von 2000 v. Chr. bis heute erkennen. In bunte Collagen geschrieben oder als Hashtags bzw. E-Mail-Adressen wie Britain1821@SunNeverSets.co.uk verschlüsselt ähneln Balteo-Yazbecks Collagen den berüchtigten Lösegeldforderungen aus ausgeschnittenen Buchstaben.
Des Weiteren umfasst die Serie Skulpturen von Händen, die ursprünglich von Attilio Napolitano aus Olivenholz geschnitzt und von Balteo-Yazbeck nonchalant adaptiert wurden. Dazu kommt eine kleine, eigentlich von Judith Sönnicken geschaffene Installation namens Backup (2013), die hier vor einen collagierten Fotohintergrund platziert wurde. Sie thematisiert unsere kollektive Angst vor digitalem Datenverlust. Diese skulpturalen Arbeiten konfrontieren uns mit Techniken, die in unserer Zivilisation längst alltäglich geworden sind – alte chinesische Nagellack- und Schellackformeln, Kohle als fossilem Brennstoff, Mobiltelefone, GPS.
Diese Sujets setzen bei früheren Arbeiten Balteo-Yazbecks an, die bereits die asynchrone Entwicklung technologischer Ökosysteme behandelten. Dazu gehört auch die Installation Warao Chinchorro (2014), bei der ein Foto von Holger Niehaus in seinem Rahmen behaglich in einer Basthängematte ruht, wie sie von den Warao, einer indigenen Gruppe im Orinoco-Delta, hergestellt wird. Sowohl diese als auch die anderen gezeigten Installationen könnte man vielleicht als postkonzeptuelle Übungen abtun, wären da nicht der Witz und der Humor, mit dem der Künstler an aktuelle Themen herangeht. Fast ohne Farben ausgeführt ist Schwarz wohl das einzige formale Element, das alle Readymades und Materialien verbindet. Aber auch das Schwarz wird konterkariert. In Chronoscope, 1952 or 1953, 11pm. (2017) sieht man eine von Longines gesponserte politische Diskussion auf CBS im ursprünglichen Schwarzweiß-Original, das Balteo-Yazbeck jedoch in besonders hoffnungsfrohen Momenten mit rosa Flecken kontrastiert.
Humor ist oft ein Abwehrmechanismus. Regelmäßig und schlüssig angewandt hat er aber auch eine analytische Funktion, hilft er uns doch Themen ins Auge zu fassen, die uns sonst entgingen. Nicht zuletzt ist der Humor ein uraltes subversives Mittel, dessen Wurzeln sich in Zeit und Ideengeschichte verlieren. Und wie die von Balteo-Yazbeck gezeigten Arbeiten deutlich machen, dürften wir ihn gerade in der drohenden Zukunft nötiger haben als je zuvor.
Alessandro Balteo-Yazbeck, *1972 in Caracas, lebt und arbeitet in Berlin.