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Clemens Hollerer: the birth and death of the day Event
Brüche, Kratzer, Splitter und Spuren. Zusammengeflickte Objekte, fragil in ein Gleichgewicht gebracht und nicht selten nur behelfsmäßig verbunden. Skulpturen, die den Raum rhythmisch takten, um ihn gleichzeitig zusammenzuhalten und aufzulösen, zu durchdringen und in fragile Stabilität zu bringen. Clemens Hollerers Arbeiten widmen sich der Anziehungskraft der Zerstörung. Grundsätzlich an der Frage des Raumes und seiner Veränderung interessiert, beschäftigt er sich mit der vom permanenten Bauen gekennzeichneten Umgebung: der Stadt, aber auch der von Menschen domestizierten Landschaft. Der fotografische Blick, der grundsätzlich das Fokussieren thematisiert, bildet den Anfang seiner Werke und seiner künstlerischen Entwicklung. Seine skulpturalen Arbeiten, die sich seit 2006 aus einer Beschäftigung mit dem Abbilden der Stadt heraus entwickeln, bestehen aus bemalten Holzlatten, wie wir sie von Baustellenabsicherungen kennen. Es folgten glänzende Klebefolien oder pulverbeschichtetes Aluminium, deren industrielle Perfektion er gnadenlos bearbeitet, schindet und bricht. Vieles lässt an strapazierte Alltagsmaterialien denken, an funktionale Objekte, deren Gebrauch von massenhafter Nutzung und ständiger Transformation im industrialisierten und urbanen Kontext spricht. In den oft erst vor Ort gefertigten, adaptierten, präzise gehängten und inszenierten Arbeiten geht Hollerer genau auf den Raum ein und geradezu szenisch vor. Mit seinen skulpturalen Konstruktionen hat er in der Vergangenheit Zugänge zu Galerieräumen verbaut, Zimmer mit hängenden Holzkonstruktionen durchstoßen oder Treppenhäuser mit einem luftigen Lattengebäude aufgefüllt (Future Generation Art Prize, 2011). Einige wenige Arbeiten im Außenraum prägen sein Schaffen: Im Juli 2018 in Bad Gastein etwa baute er entlang des gewaltigen Wasserfalls eine vielteilige Konstruktion aus grell-pinken Holzkreuzen, die an wehrhafte Panzerabsperrungen ebenso erinnerte wie an Lawinenzäune oder überdimensionale organische Gliederketten. Seine Arbeiten funktionieren immer als leichtfüßige „Kommentare“, die in Form von räumlichen Eingriffen und Umformulierungen den Raum nicht nur körperlich erfahrbar machen, sondern ihn auf seine sinnliche und formale Präsenz beleuchten. Hollerer widmet sich dem Relationalen und wendet sich ganz direkt an das Publikum: Denn gerade die Erfahrung von Raum ist persönlich, sagt Hollerer1 und verweist dabei auf den Umstand der Kongruenz und Ergänzung von körperlicher und visueller Erfahrung. Raum steht in Holleres Schaffen für den Mensch gemachten Raum, für die räumliche Setzung und die Architektur, die für die Verortung jedes Einzelnen eine existenzielle Rolle spielt. Insbesondere dieser Raum macht Bezüge auf und zeigt sowohl unsere wie auch seine eigene Geschichte. Wird er konsequent gelesen und befragt, offenbart er sich als Quelle und wird zum Spiegel von einem selbst. Hollerer nimmt also auf die Erfahrung von Raum zweifachen Einfluss, wenn er sich mit seinen Objekten, Skulpturen und plastischen Bildern direkt an die visuellen und haptischen Sinne des Publikums wendet und über den Akt der Verletzung an die physische Präsenz des Raumes wie auch an die des darin eingebundenen Publikums erinnert.
Auch in seinen neueren Arbeiten, in denen er widerständigste Kunstharzlacke von Aluminiumplatten kratzt oder Collagen und Montagen aus Folien, bzw. aus pulverbeschichteten Aluminiumprofilen Maschinenarme in unterschiedlichen Haltungen zeigt, widmet er sich konsequent dem (oft urbanen) „Happening“ der Zerstörung. Hollerers Absicht, ein „Bild des Rohen“ zu schaffen und dabei „die Schönheit des Unfertigen“ herauszuschälen, gründet sich in diesen jüngsten Arbeiten auf der Beobachtung der Ähnlichkeit und der Faszination von industrieller und natürlicher Zerstörungskraft. Hollerers aus Klebefolie zusammengestellte „Maschinen-Collagen“ werden anhand von fotografierten Beobachtungen angefertigt. Die mit der Kamera eingefangenen Maschinenbewegungen von mächtigen Baggerarmen werden in der aus dem Schwarz des Untergrunds herausstrahlenden, glänzenden Serie an der Galeriewand zu eigensinnig performativen Kompositionen. Geradezu brachial arbeitet er sich in seinem Schaffen an den mächtigen Heroen der Minimal Art und hier auch der Land-Art ab. Assoziationen zu Robert Smithson tun sich etwa in den Baggerbeobachtungen auf, die zerkratzten Lackbilder tragen ein Echo von Gerhard Richter in sich. Bei den präzise im Raum positionierten Skulpturen verweist Hollerer selbst auf die große Kunstikone (Blinky) Palermo. Hollerers Vorgehen ist ein durchaus bewusster Umgang mit der Geschichte und weist immer wieder befreiende Merkmale von Post-Hardcore (Musik) auf; im Grundprinzip widerständig, gilt es „trotz“ einer Bürde der Kunstgeschichte darin das Kontinuum des Schaffens durch Überarbeiten und Zerstören zu erkennen. Wie so häufig, ist auch The birth and death of the day von Hollerers Faible für rebellische Musik inspiriert und einem Lied der Band Explosions in the Sky entlehnt. Als Titel einer Arbeit, die am Anfang von Hollerers Bearbeitung des Themas Maschine steht, werden in ihm Geburt und Tod in einem Tag zusammengefasst und in der gewaltigen Schaffens- und Zerstörungskraft der Baumaschinen gespiegelt. Wie Geburt und Tod gleichzeitig das quasi erotische Versprechen des Neuen und die Feststellung des Abschieds in sich tragen, legt Hollerer seinen Finger auf den aufregenden Umstand einer Existenz des immerfort Metamorphen.
Text: Katrin Bucher Trantow