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G.R.A.M. Der Coup der tadellosen Männer Event
Ihre Blicke sind starr, die Gesichter ernst. Ein verstörendes Gruppenfoto. Wenige Tage nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 wurden die Schuldigen der Öffentlichkeit präsentiert. Es handelte sich um hohe Militärs, die Aufnahme war in allen Medien zu sehen. Sie trugen Freizeithemden und nicht die Uniformen, in denen sie verhaftet wurden. Einige der Männer wiesen deutlich sichtbare Spuren von Misshandlungen auf. ?Der Coup der tadellosen Männer? nannte eine Zeitung das Bild. Und eben diese hintergründig-schillernde Wortfolge lieferte den Titel für die neue Ausstellung in der Wiener Christine König Galerie.
Schon seit Jahren beschäftigen sich die Künstler in ihren performativen Inszenierungen mit Bildern aus der Presse. Sie erschaffen eine Bildwelt, die bekannt erscheint und die doch fremd anmutet. G.R.A.M. greift das bildliche Rohmaterial der munter plätschernden Bildberichterstattung in den Massenmedien auf und bringt mit künstlerischen Mitteln der Wiederholung und Verrückung Unruhe in die Welt der Bilder.
In den jüngsten Arbeiten häufen sich, wie auch schon in früheren Werken, Politikerszenen. Da taucht etwa der amerikanische Außenminister John Kerry auf: während einer Begegnung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau oder allein am Telefon, umgeben von Bodyguards während der Iran-Atomverhandlungen in Wien. Oder Barack Obama, zu Hause, im Kreise seiner Familie, mit nackten Füßen, beim Fernsehen. Oder beim traditionellen ?Familienfoto? der Staatschefs: Sekunden vor der Aufnahme, wenn noch rasch Körperhaltungen, Frisuren und Krawattenknöpfe adjustiert werden.
Das politische Personal der Pressebilder ist überwiegend männlich. ?Der Coup der tadellosen Männer? ist also nicht nur ein Zitat, das auf ein bestimmtes Pressefoto nach dem Putschversuch in der Türkei gemünzt ist, sondern wohl auch – ein wenig augenzwinkernd – auf die breite Riege der ?tadellosen Männer?, die Tag für Tag, Woche für Woche vor den Pressekameras Aufstellung nehmen. Akribisch buchstabieren sie das gestische Vokabular der Politik durch, präzise beobachten sie die Körpersprache der Politiker, um das Gerüst der öffentlichen und der veröffentlichten Posen freizulegen.
Für die jüngste Präsentation wurden die fotografisch nachgestellten Szenen wieder auf Zeitungspapier gedruckt. Diese sind – neben Fotos, Plakaten und fotografisch bedruckten Wandteppichen – als Ausstellungsstücke zu sehen. Damit ziehen die Bilder eine Schleife von der Zeitung zurück zur Zeitung. Klar ist: Auf diesem Weg verändern sich die Bilder, aber auch unsere Wahrnehmung von ihnen. Die Verheißung, durch genaue Betrachtung Gewissheit zu erlangen, erfüllen sie nicht. Vielmehr lässt der ?Coup der tadellosen Männer? uns fragend zurück. Oder ratlos, oder erstaunt.