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Milija Pavicevic, Marko Zink Event
Milija Pavicevic: Persönliche Geschichten – Strategien der Aneignung
Vernissage: Dienstag, 10. Mai um 18 Uhr
Milija Pavicevics Oeuvre ist ein Zeugnis der konsequenten Strategie der Aneignung und Wiederholung. Seine Kenntnisse und Fähigkeiten erarbeitete sich der montenegrinische Biennale Künstler autodidaktisch, indem er sich auf ganz unterschiedliche Weise mit seinen Vorbildern aus der Kunstgeschichte auseinandergesetzt hat.
Sein anfängliches Interesse konzentrierte sich auf das Selbststudium der Kunstwerke der Alten Meister wie El Greco oder Velázquez, bald jedoch erweiterte sich sein Repertoire zu Gunsten von Manet bis Malewitsch. Literatur und kunsttheoretische Schriften wie die von Baudelaire, Proust, Kafka oder Kierkegaard, um nur einige zu nennen, haben grundlegend sein Werk beeinflusst. Nie negiert er deren Autorenschaft, sondern er entwickelt in seinen konzeptuell angelegten Kunstwerken auf spielerische Weise, seinen unverkennbaren Stil der Annäherung und Verehrung des jeweiligen Künstlers oder Theoretikers.
In der Ausstellung Persönliche Geschichten - Strategien der Aneignung erlaubt uns Milija Pavicevic einen Einblick in seine Leben und es werden die approbierten Künstler wie Katalysatoren genutzt, um Denk- und Wahrnehmungsmuster auf den Prüfstand zu stellen. Pavicevic hat die Fotografie zu seinem Medium erkoren, um sich die unendliche Vervielfältigung zum Nutzen zu machen. Dies zeigt sich besonders in der Massenproduktion seines Porträts, welches immer wieder durch Zitate neu erfunden wird. Alle ausgestellten Arbeiten kreisen um das Thema ?Weltschmerz?, Existenzfindung und Selbstdarstellung.
Mit präziser Analytik werden in seinen Fotomontagen und Collagen der letzten vierzig Jahre ausgesuchte Kunstwerke integriert und es kommt zu einer Zusammenführung unterschiedlicher Zeiten und verschiedener Räume. So kartographiert er seine Erinnerungen, und die Rückkehr in seine Kindheit wird mit Motiven aus der Gegenwart kombiniert und immer wieder neu aufgearbeitet.
?Eine reale Auseinandersetzung mit dem Phänomen Tod (…) zeigt ein Bild von El Grecos Beerdigung aus dem Jahr 1586 sowie ein Foto des Begräbnisses von Pavicevics Großvater aus dem Jahr 1963, in dem der Künstler selbst als Kind zu sehen ist. ?Selbst-Portrait 1586-1963? nivelliert durch diese Gegenüberstellung das Phänomen Trauer. Der Künstler verweist auf Erinnerungsmomente, die bei Beerdigungsritualen zu Tage treten und durch die Verbindung des Todes eines bekannten Künstlers mit einem persönlichen Familienmitglied die Frage nach dem eigenen Tod – des Künstlers Pavicevic – als bildmediales Ereignis in den Raum stellt, der hier mental vorweggenommen wird aber bildlich noch nicht imaginiert werden kann.?1
Das schwarze Quadrat von Malewitsch, der Flötenspieler von Manet, und das Gelb von Van Gogh verortet der Künstler als eine immer wiederkehrende Hommage im Werkzyklus CT Park. In der digitalen Fotoserie porträtiert er sich als Flötenspieler in dem Park seiner Heimatstadt Cetinje und spielt nun mit dem Weglassen und Hinzufügen der approbierten Komponenten.
In den Collagen Ciao Amore werden zwei private Fotografien, welche ihn und seine Geschwister einmal als Kinder und dann 40 Jahre später am gleichen Ort zeigen, mit Fragmenten von Reproduktionen Picassos und Fragonards ergänzt.
Die Bedeutung der Selbstdarstellung hat in seiner Arbeit mit den Jahren entsprechend zugenommen. In der umfangreichen Werkgruppe ?s-portrait? stellt er sein Schwarzweißporträt jenem von El Greco gegenüber. Das Motiv des bekannten Flötenspielers von Manet, das wie schon bei Manet, ausgeschnitten wirkt und aus dem Bild nahezu herausfällt, wird auf den Köpfen der Protagonisten montiert. Milija Pavicevic ist nicht interessiert eine möglichst authentische Nachstellung zu Inszenieren, seine Strategie ist in der Ideologie der einzelnen kunsthistorischen Referenzen zu suchen. Es geht um Fragen der Repräsentation und Wahrnehmung, um gesellschafts- und kulturpolitische Auseinandersetzungen sowie um Geschichte, Erinnerung und Identität des Künstlers und seine gesellschaftlichen Normierungen.
Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch mit einem Text von Walter Seidl und einem Vorwort von Prinz Nikola Petrovic-Njegos.
1 Dr. Walter Seidl, Textauszug aus dem Katalogtext EXITSTRATEGIEN DES SELBST, 2014
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MARKO ZINK | das andere selbst und das selbst andere
11.5. - 18.6.2016
WO: NEXT DOOR galerie michaela stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien
Vernissage: Dienstag, 10. Mai um 18 Uhr
Über seinen Körper positioniert sich der Mensch in der Welt und in seiner Zeit, Körpervorstellungen und ?konzepte sind meist zeithistorisch verortet. Der Körper des Menschen ist seine Hülle, der Schutz seines Innersten, ob es sich um rein physische oder um metaphysische Konzepte wie z.B. die Seele handelt, die ihn zusammenhält.
In der Ausstellung ?das andere selbst und das selbst andere” zeigt sich die Doppelbödigkeit und das Verstörende in den zwei Serien von Marko Zink unverstellter und angriffslustiger als bisher. Vor einem idyllischen lebensnahen Hintergrund spielt etwas, nur auf den ersten Blick Lustiges und Unterhaltsames. Sehr schnell kommen auf die Oberfläche die ganze Ironie und die Tragik des Erzählten.
Das Video “Traktor fahren” aus der Serie ?fred&freda” vermittelt den Eindruck eines grotesken und unheimlichen, aber in seiner Wesenheit uns ganz nahen und bekannten ländlichen Schauspielplatzes. In einem prototypischen hölzernen Stall mit dem alten grünen Traktor, springt unerwartet eine nackte männliche Figur mit einer Gesichtsmaske hinter dem Traktor hervor. Er verbleibt eine Weile in seiner Nacktheit aufrecht stehen. Danach klettert der Mann auf den Traktor, ahmt den Zündhebel und Motor nach. Das Steuerrad festhaltend hüpft er auf dem Traktorsitz und imitiert die Traktorfahrt, drückt auf die Hupe, parkt ein, steht aus dem Fahrersitz auf, bleibt wieder eine Weile aufrecht stehen, einen Applaus oder Anerkennung erwartend, und endlich verschwindet hinter dem Traktor.
Marko Zink bedient sich in seiner grotesken Vorstellung mit zahlreichen Entfremdungselementen: der nackte Körper, die Gesichtsmaske mit dem Schnauzer und den in die Stirn gekämmten Haaren, die Imitation von Traktorgeräuschen, das Hüpfen, die schwabbelnden Brust und der Bauch. Das Einsetzen der Gesichtsmaske wie ebenfalls der Titel der ganzen Serie ?fred&freda” weist auf eine Interpretationsmehrdeutigkeit hin. Geht die Geschichte auf Francis Ferrell, geboren als Fred (Freda) Van, der als halb Mann und halb Frau auf den verschiedenen Nebenschauplätzen in der ersten Hälfte des 20.Jhs. auftrat, zurück? Handelt es sich hier um zwei Personen, eine weibliche und eine männliche, die in einer, hinter einer Maske versteckt, existieren? Oder setzen wir alltäglich auf unserem Lebensweg verschiedene Masken auf um sich selbst zu beschützen und von der Gesellschaft akzeptiert zu werden? Oder erinnert uns die Maske gar an jemanden, der ?uns” ein (optisches) Regelwerk vorgab, um in sein menschenfeindliches System zu passen, ohne dass er selbst je in ebendieses gepasst hätte? Durch das Zusammenspiel dieser, deutet Zink auf die Mehrdeutigkeit der menschlichen Existenz hin, die sich in der Einheit von Gegensätzen offenbart.
In der Video-Projektion ?die verrückten zwei Schwestern? setzt sich das Spiel des Versteckens und Offenbarens fort. Der Künstler versteckt sich hinter einem durchsichtigen Vorhang in einem Holzhaus. Obwohl auf jeder Fotografie zwei Personen erscheinen, ist offensichtlich, dass es sich dabei nur um eine Person handelt. Die zwei Schwestern verkörpert der Künstler selbst, angezogen nur in einem transparenten hellblauen Regenmantel aus Plastik und halterlosen weißen Strümpfen, einmal mit einer blonden und dann mit einer braunen Perücke. Man erkennt verschwommen zwei kreischende Menschen, zwei Oberkörper, zwei einander haltende Hände und dann nur noch eine Silhouetten jener Protagonisten. Einzelnen Körperteile verschwinden und erwecken somit gleichzeitig unheimliche Gefühle. Die Vorstellung, dass sich jemand unsichtbar machen könnte oder sich hinter einer Maske versteckt, hat Menschen seit jeher mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen erfüllt.
Masken werden verwendet, weil man für kurze Zeit eine andere, ein anderer sein will – oder sein muss. Sie verdecken, was verdeckt werden muss, und sie erschaffen eine Wirklichkeit, die eigentlich keine ist. Masken können erschrecken, können uns auf- oder abwerten, können ablenken von den Dingen, die nicht gezeigt werden sollen. In den zwei präsentierten Serien des Künstlers Marko Zink wird eindeutig klar, wie auch einst der römischen Philosoph und Schriftsteller Seneca feststellte: “Nemo enim potest personam diu ferre – Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen.”