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Aurelia Gratzer: Malerei! Event
Eröffnungsrede: Dr. Ralf Borchard, ARD, um 18.30 Uhr
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Kann die eigene Wahrnehmung überhaupt hinterfragt werden? Das ist die Frage, mit der sich Aurelia Gratzer in ihrer Malerei intensiv auseinandersetzt; im Spannungsverhältnis zwischen „authentischer“ Abbildhaftigkeit und Irritation. Die räumliche Empfindung, die plötzlich die Frage nach der Perspektive aufwirft, und die Auseinandersetzung mit dem binokularen Sehen, das nicht von der Zentralperspektive geprägt ist. Um diese Bereiche zu untersuchen, bedient sie sich dem ureigenen Medium der Malerei: Farbe, zweidimensionaler Malgrund und der Pinsel als Malwerkzeug.
Ausgehend von Abbildungen in Zeitschriften erschließt Aurelia Gratzer gedanklich ihre Leinwand. Die meist schon in ihrer Abbildhaftigkeit täuschende Vorlage wird in einzelne Flächen zerlegt. Die vermeintliche Realität wird zerstört, zum einen durch die schärferen Umrisslinien, die sogleich die Assoziation von einem Druckverfahren auslösen, zum anderen durch das flache „Zersplittern“ des Gesehenen. Jede Farbläche wird gleichwertig behandelt, wird einzeln betrachtet, und ohne den Kausalzusammenhang des Großen malerisch auf der Leinwand ausgeführt. Die Irritationen, die sich dabei bei dem Betrachter ergeben – oft erst durch längeres Hinsehen –sind somit im Malvorgang schon angelegt. Was ist rationale Realität? Diese Frage steht hinter diesem Vorgang. Denn die Realität bezieht sich stets auf zwei unterschiedlichen Ebenen: der Ebene des Wissens und der Ebene des empfundenen Wahrnehmens.
Aurelia Gratzer versteht es in feinsten Nuancen mit dieser Thematik der Abstraktion und der Irritation zu spielen. Wenn sie eine grüne, gerade Abschlusslinie einer Fläche mit ein wenig Rot versieht, so dass das Auge des Betrachters diese Linie dann automatisch in der nächsten orangenen Linien als komplämenteren Kontrast erkennt und die beiden Geraden gedanklich verbindet – obwohl beide nicht auf einer Ebene liegen. Hier spielt die Malerin mit dem Phänomen der optischen Täuschung.
Täuschungen entstehen bei ihr aber nicht nur durch die malerische Umsetzung der Farbe, sondern auch durch ihre Titelwahl. Für sie „brauchen“ die Bilder einen Titel, auch wenn dieser gar nichts mit der Darstellung zu tun hat. Ihre Kunst, die auf den ersten Blick so gegenständlich wirkt, siedelt sie mit all den Fragen, die darin gestellt werden, in der Abstraktion an. Würde man die Bilder dann ohne Titel belassen, wären sie allzu hermetisch und unpersönlich. Der Titel, der oft willkürlich gewählt ist, gibt dem Bild Individualität, aber öffnet eine weitere Ebene, in dem der Bezug des Benannten unweigerlich auch im Bild gesucht wird – aber nicht gefunden werden kann.
Durch Gratzers Vorgang, ihre aus Illustrierten entlehnten Abbildungen in die einzelnen Bildflächen zu übersetzen und diese in absoluter Gleichwertigkeit mit einer malerischen Rafiness auf die Leinwand zu übertragen, haben die Bilder eine enorme perzeptive Spannung. Die Feinheiten, die in den einzelnen Bereichen eines Bildes stecken, vermag der Betrachter erst mit der Zeit in seiner gesamten Komplexität zu erfassen.