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Armin Lorenz Gerold - Back into the Closet Event
Back into the Closet
Bol Lion, Suppen-Obertasse, Milchkännchen, Zuckerdose, Eierbecher, Teller aufeinander gestapelt, aufgetürmt oder schier frei schwebend drapiert, eine Kaffeetasse, die zu tänzeln scheint: So sind in den fotografischen Arbeiten von Armin Lorenz Gerold exquisite Porzellan-Service arrangiert. Auf dem strahlenden Porzellan sind romantische Motive nach kitschigen Zeichnungen zu sehen, Heuwägen, Pflüge, Ochsen und Pferde. Strahlend-hell ausgeleuchtet lehnen sich die Fotografien an eine Ästhetik von Werbung für High-Quality-Waren an. Konterkariert wird dies durch die verspielten Anordnungen, die Assoziationen wecken an das waltdisneysche anthropomorphisierte Kaffeekännchen aus The Beauty and the Beast oder das Gelage der Mad Tea-Party in Alice’s Adventures in Wonderland.
Solche Anschlüsse an populärkulturelle Momente öffnen Passagen zu Camp. Doch stellt die Art, wie Gerold mit Bedacht und Sachtheit das Geschirr inszeniert, eine Liebe zu den Objekten aus, die um deren Campcharakter weiß, ohne sie doch im Geringsten bloßzustellen. Die Ironie ist so leise zart, dass man sie beinahe ganz überhören mag. Denn die Liebe heißt hier auch Moral: eine solidarische Geste gegenüber dem in den Hierarchien der Kunst marginalisierten, beinahe verfemten Kunsthandwerk von Gebrauchsgegenständen – das sich im exakten Handwerk des Fotografen spiegelt.
Wie in den Porzellan-Fotografien keine noch so ironisch gebrochene Erhabenheit und Distanziertheit gegenüber jenen Objekten existiert, so wenig harsch geben sich auch die grafischen Arbeiten. Allesamt haben sie Vorlagen fotografischer oder malerischer Art, verrücken und verändern einzelne Elemente davon. Der Cast von The L Word an der Feuerstelle etwa stellt das ursprüngliche türkische Bad im Harem auf den Kopf. Am Strand – eine Berührung von Händen dreier Männer, deren Intimität sich gerade durch die Abwendung vom Betrachter herstellt, führt die Motivik homosexuellen Begehrens fort. Doch ebenso wie die vage im Hintergrund zu sehenden fechtenden Männer auf einer der Porzellan-Fotografien bleibt der Topos des Homosexuellen angedeutet, setzt sich nie demonstrativ und pathetisch in Szene. Gerolds künstlerisches Verfahren qualifiziert sich dergestalt gerade nicht als ostentative Verhandlung der Möglichkeiten queerer Repräsentation in Bildern. Fast scheinen die Nebelschwaden in den fotografischen Reminiszenzen an Gay Bathrooms der 1970erJahre Sinnbild für die bisherigen Arbeiten Gerolds: etwas wird gen Unsichtbarkeit verschoben.
Zu klassifizieren wäre das Schaffen Armin Lorenz Gerolds als Entzug dezidierter und souveränistischer politischer Kunstpraxis. Dies tut sie nicht, indem sie visuelle queere Strategien kritisiert oder gar denunziert, sondern indem noch einmal ‚back into the closet’ geschlichen wird. Dort finden sich die allein ästhetisch noch einmal einholbaren Erfahrungsräume schwuler Indizes. Gerold zeichnet fragmentarisch eine Historiografie homosexueller Subkulturen, nimmt an ihnen Anteil und erinnert darin an verflüchtigte sozial-ästhetische Praktiken, auf die sich das Begehren wieder richtet. Eine Troubadourerei.
Und gleichsam Begehren einer freien Kollektivität, deren Bild die Porzellan-Fotografien abzugeben scheinen, wo aber nicht mehr das Service harrt, benutzt zu werden, sondern sich inzwischen selbst zu einer Gemeinschaft gruppiert hat. Darin sind diese Dinge Fetischobjekte: als durch die Liebe und das Begehren wie zum Leben animierte.