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Im Jahr 1870 publizierte der österreichische Autor Leopold von Sacher-Masoch jenes Werk, das ihn berühmt machen sollte: eine Novellensammlung mit dem Titel “Die Liebe”. Die Rückkehr des Ich-Erzählers Leopold von Sacher-Masoch in das habsburgische Galizien, die Landschaft und Gesellschaft seiner Kindheit, bildet dabei den Rahmen der Erzählung und die Folie seiner Auseinandersetzung mit dem Darwinismus. Diese erlaubt ihm nicht nur die provokante Lösung der bürgerlichen Geschlechterfrage in der feudalherrschaftlichen Peripherie der Habsburgermonarchie, sondern auch die Darstellung der “Nachtseiten” der Liebe (Stichwort: “Venus im Pelz”).
Zwanzig Jahre darauf waren es eben diese, für welche sich eine der zentralen Gründungsfiguren der Sexualwissenschaft, Richard von Krafft-Ebing, interessierte. Die wissenschaftliche Begriffsbildung “Masochismus”, die für den deutschsprachigen Raum als Urszene der hierarchischen Ausdifferenzierung zwischen “objektiver” Sexualwissenschaft und “subjektiver” Literatur gilt, war in diesem Zusammenhang nicht der Ausdruck einer stigmatisierend gemeinten Pathologisierung, sondern Anerkennung einer außerwissenschaftlichen, literarischen Darstellungskompetenz. Aufstieg wie Fall Sacher-Masochs standen in Zusammenhang mit Aussagen von Patienten Krafft-Ebings, die sich in den Schriften Sachers wiedererkannten (Aufstieg), die dem Arzt aber im Laufe der Zeit auch Informationen über Sachers eigene masochistische Praktiken zutrugen (Fall). Dies führte zur Aufkündigung des in der Rahmenerzählung fixierten Verhältnisses zwischen Autor und Werk, in der Sacher als Beschreiber des Masochismus aufgetreten war. Diese Aberkennung machte den Autor zum sexualwissenschaftlichen Fall und leitete jene bald allgemein übliche Gleichsetzung von Autor und Werk ein, die das Verhältnis der Sexualwissenschaften zur Literatur fortan dominierten.
