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Berthold Molden - Auf der Suche nach dem globalen Gedächtnis Event
Die Globalisierung betrifft – jedenfalls einflussreichen SozialwissenschafterInnen zufolge – nicht nur Warenketten und digitale Kommunikation, sondern auch die verschiedenen kulturellen Gedächtnisse der Welt.
Milliarden von Menschen, die in unterschiedlichsten Gruppen je spezifische Erinnerungen pflegen, sollen in einem gemeinsamen Gedächtnis gefasst werden.
Es steht jedoch zu befürchten, dass die Ereignisse, Personen und Geschichtsbilder, auf die sich ein solches Gedächtnis bezöge, einer hegemonialen Erinnerungskultur angehören, die sich auf einen privilegierten medialen Zugang stützen kann.
Das Beispiel der Holocaust-Erinnerung belegt dies: Ein “europäisches” Ereignis wird globalisiert, bis die Opfer aller Länder sich in dieser Referenz vereinigen können. Doch was, wenn jene, die sich in ihrer eigenen Leidensgeschichte auf den Holocaust beziehen, gleichzeitig AntisemitInnen sind?
Molden hat sich dazu u. a. in Guatemala mit ehemaligen Guerilleros unterhalten, die für ihr Kollektiv das Schicksal eines Holocausto Maya durchaus affektiv in Anspruch nahmen und im gleichen Zug Hitler für die Vernichtung der Juden lobten. Die Ursache dieses Paradoxons ist die mangelnde Relevanz des Holocaust-Begriffs für Menschen, die etwa – wie diese Guerilleros – mit “Juden” in erster Linie israelische Waffenexporte der 1980er-Jahre an die guatemaltekische Armee assoziierten. Ihre Familien waren mit israelischen Waffen getötet worden.
Historisches Gedächtnis ist mehr als das bloße Wissen um weltbekannte historische Begriffe und Ereignisse. Werden diese universalisiert, dann verwandeln sie sich in leere Zeichen, die den Blick auf die Welt mit den immer gleichen Bildern einer eurozentrischen Gruppengeschichte verstellen.
Hier setzt die Kritik Berthold Moldens an.
Dr. Berthold Molden, IFK_Research Fellow, ist Historiker am Ludwig Boltzmann Institut für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit in Wien. Dort leitet er das internationale Forschungsprojekt “Der Kalte Krieg im kommunikativen Gedächtnis Europas: Zehn Fallstudien in Grenzgemeinden”. Er unterrichtet als Lektor am Institut für Geschichte der Universität Wien. Sein Interesse gilt den hegemonialen Kräfteverhältnissen der Geschichtspolitik, der Theorie der Globalgeschichte und der Geschichte des Kalten Krieges.
Publikationen (u. a.): The Iron Curtain and the Bordering of European Identity, in: Comparativ [erscheint 2009]; gem. mit David Mayer (Hg.), Vielstimmige Vergangenheiten. Geschichtspolitik in Lateinamerika, Wien 2009; Vietnam und der Holocaust. Die transnationalen Proteste gegen den Vietnamkrieg als Wende im Genoziddiskurs, in: Jens Kastner und David Mayer (Hg.), Weltwende 1968?, Wien 2008, S. 83–97; Geschichtspolitik und Demokratisierung in Guatemala, Münster 2007.