We can't find the internet
Attempting to reconnect
Verbindung zu esel.at
Das Projekt Gravity stellt die Frage, wie sich der zeitgenössische Tanz im Kräftefeld von Kunst und Gesellschaft bewegt. Welches Gewicht, welche Schwere oder Schubkraft kann der Tanz in einer Zeit entwickeln, in der das Leichte im Trend ist? Das Projekt möchte unterschiedliche Perspektiven und Lesarten auf das anbieten, was Choreografie heute über Gesellschaft zu sagen hat, auch wenn dies nicht offensichtlich ist und sich vielleicht eher in der rhythmischen Form oder stillen Intensität von Kommunikation entdecken lässt. KünstlerInnen mit unterschiedlichen Ästhetiken werden eingeladen, hierzu choreografische Skizzen zu zeigen. Der Entwurfscharakter der Skizze gibt Einblicke in das, was im künstlerischen Werk oft nicht mehr sichtbar ist. Zugleich ermöglicht das Format der Skizze spezifische Momentaufnahmen gesellschaftlicher Empfindungen.
Bedarf die Kunst, um gesellschaftliche Kräfte ein- und abschätzen zu können, einer unverstellten Sicht auf das, was sie umstellt und überragt? Oder kann und will der Tanz einen solchen Abstand überhaupt nicht herstellen, weil er gerade durch den Körper immer schon in Lebensvollzüge verwickelt ist? Die Schwerkraft, die Schwere, die Verlagerung des Gewichts, das Wiegen und Abwägen, das jeder Körper ständig automatisch vollzieht, verbindet gerade den Tanz mit der alltäglichen Erfahrung.
“Tanze Rosetta, tanze, dass die Zeit mit dem Takt deiner niedlichen Füße geht!” ruft Leonce Rosetta in Georg Büchners Stück Leonce und Lena zu. Doch sie antwortet: “Meine Füße gingen lieber aus der Zeit”.
Gravity beleuchtet das Territorium zwischen Individuum und Gesellschaft und öffnet die Diskussion, wie die Abdrücke der Gesellschaft und ihrer Technologien im zeitgenössischen Tanz spürbar werden: Sei es im Sog, der den Einzelnen in die Menge hineinzieht. Oder sei es, dass ein Einzelner hartnäckig stört, weil der Körper aufbegehrt, ausschlägt und sich nicht fügen will - wie im Fall von Rosetta, wo nicht sie es ist, die lieber aus der Zeit ginge, sondern es sind ihre Füße…
Tanz hat im Kräfteverhältnis von Kunst und Gesellschaft auch historisch betrachtet eine besondere Funktion: Im Hoftanz bildeten sich politische Ordnungen ab. Im Gesellschaftstanz zeigte und zeigt sich Verhalten als eine spezifische Form der Kommunikation. Der Tanz verändert sich mit den gesellschaftlichen Bedingungen, die doch Rahmen und Material für seine Kunst bilden. Ob sich dabei die Weltflucht des romantischen Balletts wiederfinden lässt oder ein erweitertes Verständnis von Bewegung neue Kommunikationsprozesse generiert – ob also der Tanz in die Zeit hinein- oder aus der Zeit hinausläuft, erscheint gleichermaßen aufschlussreich.
Die sechs performativen Skizzen, die speziell für diesen Zusammenhang entstehen, werden durch ein Rahmenprogramm mit Kurzvorträgen und visuellen Beiträgen ergänzt.
Eine Kooperation von Tanzquartier Wien und Siemens Arts Program
Di 24. März 18.30 h TQW / Studios
Vortrag
“In vielen Begriffsverwendungen enthält Mimesis eine Identifikation einer Person mit einer anderen. Jemand identifiziert sich mit Hilfe seiner mimetischen Fähigkeiten, wenn er im Anderen sich selbst sieht, eine Gleichheit zwischen sich und einem Anderen wahrnimmt. In diesem Merkmal unterscheidet sich Mimesis von Mimikry, die nur eine physische, nicht eine geistige Beziehung beinhaltet. In der Mimesis liegt eine Komplementarität der Perspektiven: Man sieht den Anderen als gleich an und nimmt sich vom Anderen als gleich gesehen an.” (Gunter Gebauer, Christoph Wulf)
Die Filmwissenschaftlerin Andrea B. Braidt widmet sich in ihrem Beitrag den künstlerischen Konstruktionen von artenübergreifenden Liebesverhältnissen in Film, Tanz und Theater, insbesondere jenen zwischen Mensch und Tier. In ihrem Vortrag geht es um die Rolle der Mimesis in diesen Konstruktionen, Repräsentationen und Performances, und warum Genderkonstruktionen für diese Verhältnisse zentral sind.
Dr. Andrea B. Braidt ist Filmwissenschaftlerin an der Universität Wien und arbeitet zu feministischer Filmtheorie, Queer Cinema und zu Filmgenre-Theorie.
pay as you wish
