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Gus Van Sant: Milk Event
USA 2008 | 35mm | Farbe | 128 Min
Amerikanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Harvey Milk: Politiker und Volkstribun. Ikone, Vorbild und Held. Ein Mann, weit mehr als ein Schwulen-Aktivist, der quer durch alle Bevölkerungsschichten und das gesamte politische Spektrum zum Inbegriff für einen mutigen Kampf für Bürgerrechte und Gerechtigkeit in der Welt wurde. Seine Vision von einer besseren Welt wurde zur Inspiration für viele und ist bis heute unvergessen.
Der für seine Vorliebe für außergewöhnliche Filmstoffe bekannte Regisseur Gus Van Sant („Good Will Hunting“, „Elephant“) macht aus den letzten acht Jahren im Leben des Harvey Milk ein mitreißendes Zeitpanorama, das die 70er Jahre aus einer Perspektive zeigt, die man so kaum kennt.
Am Vorabend seines 40. Geburtstages trifft der Versicherungsangestellte Harvey Milk (Sean Penn) in der New Yorker U-Bahn zufällig auf den hübschen Hippie Scott Smith (James Franco). Diese Begegnung zieht für Harvey weit mehr als nur einen romantischen Abend nach sich – er wird zum Aussteiger, lässt Haare und Bart wachsen, schmeisst seinen Job und brennt mit Scott nach San Francisco durch. Acht Jahre später wird der Stadtrat Harvey Milk durch seinen Kollegen Dan White (Josh Brolin) in einem Büro des Rathauses von San Francisco mit fünf Schüssen ermordet.
Anfang der siebziger Jahre ist die Stadt San Francisco Treffpunkt der Schwulenszene Amerikas und der Stadtteil Castro ist ihr Revier. Doch auch hier sind Homosexuelle fast täglich Übergriffen durch die Polizei ausgesetzt. Harvey allerdings ist nicht mehr der selbe, der er in New York war – er äußert den für damalige Verhältnisse durchaus radikalen Wunsch so leben zu können, wie jeder andere auch: ohne Scham.
Um den kleinen Fotoladen „Castro Camera“, den er mit Scott führt, sammelt sich schon bald eine kleine Gruppe ebenso kreativer wie gewitzter Bohemiens, wie der freche Cleve Jones (Emile Hirsch) oder der Fotograf Danny Nicoletta (Lucas Gabreel). Zusammen mit ihnen organisiert Harvey zunächst einen Gewerbeverein und wird nach und nach zum Anführer der lokalen Gay Community und zum selbsternannten „Bürgermeister von Castro Street“. Zunächst ausgerüstet mit einem, von der Gewerkschaft an ihn vermachten Megafon und einer Seifenkiste als improvisiertes Podium, organisiert er Protestmärsche und Boykotte um dann doch mit sauber gekämmtem Haar, Anzug und Krawatte mehrmals für einen Stadtratsposten zu kandidieren – und die Wahl immer wieder zu verlieren. Doch Milk ist ein unerschütterlicher Idealist mit durchaus pragmatischer Herangehensweise und gibt keinesfalls auf. Scott währenddessen fühlt sich nur einer Beziehung verpflichtet, nicht aber einer Revolution.
Harvey Bernard Milk ist bis heute eine Ikone der Schwulenbewegung, ihm ging es jedoch – so der Drehbuchautor Dustin Lance Black – nie einfach um Bürgerrechte oder Wahlen, es ging darum, dass er in Scott oder später in Jack Lira verliebt war und für sein Recht kämpfte, er selbst zu sein: Er betrieb Politik um der Liebe Willen. Zugleich vereinigte Milk die Minderheitengruppen in seinem Wahlbezirk und wurde so als einer der ersten deklariert Homosexuellen in ein politisches Amt in den U.S.A. gewählt.
Sean Penn ist in der Titelrolle von „Milk“ einfach brilliant. Sein liebenswerter und schelmischer Harvey Milk wird durch den von Josh Brolin ebenso eindringlich dargestellten Dan White konterkariert, der keineswegs als bigotter Moralist, sondern als ein tief verunsicherter Mann gezeigt wird, kaum fähig zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.
Der amerikanische Regisseur Gus Van Sant ist in seinem neuen Film vielleicht weniger experimentell wie in seinen letzten Spielfilmen „Last Days“ und „Paranoid Park“, umso mehr bemüht er sich um Unmittelbarkeit. Das Castro Viertel der siebziger Jahre wurde an Ort und Stelle liebevoll rekonstruiert, auch einige Weggefährten von Harvey Milk, wie etwa Cleve Jones, sind in Nebenrollen zu sehen. Politik ist in Gus Van Sants „Milk“ charmant und wild entschlossen, persönlich und doch universell, denn es kann durchaus ebenso schwierig sein die Wählerschaft für sich zu gewinnen, wie einen jungen Mann in der U-Bahn aufzureißen.