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Diavortrag: Franz Amann - Freie Ornamente / Freie Radikale Event
In Franz Amanns ironischer Selbstcharakterisierung des Malers als Dompteur finden sich erstaunliche Parallelen zu einem Statement des einflussreichen Kunstkritikers Harold Rosenberg. Er bezeichnete die Leinwand als eine Arena, auf der es zu agieren gilt. Amann macht einen Schritt weiter, indem er zu Sternen, Tränen oder zu einem Lamborghini geformte Leinwände – sogenannte »Shaped Canvases« als Bildobjekte konstruiert – er versucht, diese zu bändigen.
Das formale Repertoire der Moderne, konkrete Phänomene ihrer Umbrüche, Folgeerscheinungen, antiformalistischen Ausgrenzungen und Anachronismen ihrer unvollendeten Projekte sowie dadurch implizierte Erinnerungsspuren und Verdrängungen gelangen in der Malerei von Amann in einen aktuellen Diskurs. Sichtbar wird dies im Werk »BLACK SQUARE VARIATION« (2007). Amann lässt bewusst das Pathos in der Malerei kippen, greift entsprechende Gesten, Chiffren, Icons und Ikonen, die das Ende der Malerei proklamierten, wie etwa das »Schwarze Quadrat« von Malewitsch. auf. Die malerische Handlung geht allerdings über ein bloßes Zitieren oder Aneignen hinaus und trifft auf ein Vordringen in den konkreten Raum, das Parallelen zu dem Dekonstruktivismus eines Laszlo Peri oder zu Prototypen des Minimalismus zeigt. Im Gegensatz zu den Kunsttendenzen des Formalismus und deren Wiederaufgreifen in den letzten fünf Jahren wird in den Werken von Amann eine Form- und Werkästhetik aufgerufen, die dem Prinzi! p Malerei als Transformation – »Painting as Transformation« – folgt. Und im Unterschied zu den »Inhaltismen« formalistischer Tendenzen verknüpft Amann kunst-, kulturhistorische und literarische Bezüge mit originellen biografischen und anekdotischen Geschichten und reibt sich so am kollektiven Bildgedächtnis der Malerei.
Der Produktionsmodus funktioniert also in der Reihenfolge Aneignung, Umdeutung im Sinne der malerischen Transformation und Differenzierung. Anstelle einer Form »an sich« tritt eine Sequenz unterschiedlicher Formerlebnisse, die wiederum in Relation zueinander treten. Transformation bedeutet eine Veränderung der Form von etwas bereits Vorhandenem, einer bestehenden Identität, in eine andere verborgene neue Identität. Transformation bedeutet allerdings gleichzeitig einen Akt der Destabilisierung, einen dysfunktionalen Angriff auf die Integrität der Form, eine Art von Crash, einen Accident. Die Aura, der Pathos und deren Entmystifizierung, die Allegorie und Entfremdung, Regulierung und Deregulierungen, dogmatische Definitionen der Kunst zu desidentifizieren, zählen zu den Qualitäten der Malerei Amanns. Wenn Yves Alain Bois in seinem Text »Painting as Model« vier Modelle der Malerei unterscheidet, nämlich das perzeptive, das technische, das symbolische und das strategische Modell! , so existieren im Werk von Amann markante Überschneidungen, die sich in seiner Malerei als Transformation rekombinieren und deren Konturen es herauszuarbeiten gilt.
Der Kontext, in dem das Werk von Franz Amann ausgestellt ist, wie die Garage in der Galerie Layr Wuestenhagen schafft eine spezielle Situation. Amanns Auseinandersetzung mit der spröden Materialität von »Shaped Canvas« und sein Einsatz von Stoffmaterialien wie Seidentaft zeigt eine höchste Effizienz darin, wie die Malerei durch das Einspannen von Leinwand und Rahmen ihren bildimmanenten Raum auf den Realraum ausdehnt und gleichzeitig die Grenzen zwischen Bildobjekt und Raum markiert. Ähnlich wie die Lust, aber auch Gefahr des Geschwindigkeitsrausches, den man mit einem Sportwagen assoziiert, kommt es durch das Werk »LAMBORGHINI CARMENCITA« (2006) zu einer Intensität der ästhetischen Erfahrung. So avanciert ein stromlinienförmiger gelber Sportwagen, ein Lamborghini, dessen Markenzeichen im Unterschied zum Ferrari nicht das Pferd, sondern ein Stier ist, zum Ausgangsmotiv eines Shaped Canvas. Amann benennt seine Version in Fortsetzung dieser Querverweise nach der spanischen Tän! zerin Carmencita, die von John Singer Sargent 1890 porträtiert, ebenfalls ein gelbes Kleid trägt. Die malerisch akribisch ausgeführte Stofflichkeit dieses Kleides findet sich in den Seidentaftapplikationen von »LAMBORGHINI CARMENCITA« wieder. Was im illusionistisch gestalteten Bildraum von John Singer Sargent als visueller Anreiz vorgefunden wird, dringt nun in den realen Raum.
Frank Stellas legendäre Shaped Canvases, seine minimalistisch geformten Leinwände ließen die Malerei objekthaft und programmatisch als »Ganzheit« in Erscheinung treten. Mit dieser Auffassung des selbstbezüglichen Objekts bricht Amann allerdings. In der Dekomposition der Fläche geraten in »LAMBORGHINI CARMENCITA« lineare geometrische Muster und abstrakte Formationen aneinander. Die wie Klebestreifen gemalten, schwarzen und hellgelben Streifen bewirken eine Aufteilung der Farbflächen in geometrische Formen. Abwandlungen des Color-Field Painting, einer in den 1950er Jahren in den USA entstandenen Fortsetzung der konkreten Malerei, die sich auf reine Farbflächen beschränkte, um so jede raumillusionistische Wirkung im Bild zu vermeiden, klingen durch. Trotz derartiger Verweise setzt Franz Amann in den sich aus räumlich verschränkten Rauten konstruiertem Bild nicht nur auf Farbreduktion. Farbinseln finden sich neben puristischen geometrischen Strukturen. Und trotz der zum Teil uns! auber verlaufenden, durchscheinenden Farbe ist das Ergebnis elegant. Der ölig oder matt glänzende Pinselstrich reduziert sich nicht auf die Geste und ist keine direkte Umsetzung der Verfasstheit des Künstlers, sondern rekonstruiert die Geste der Malerei und zielt dadurch auf eine Intensivierung unserer Wahrnehmungsapparate. Die Substanz der Farbe lenkt den Blick auf deren Oberflächenbehandlung und das Ineinandergreifen der Rautenformen zu einem umgelenkten X. Ein ästhetisches Grübeln dringt durch, welches Bedenken gegenüber den jüngsten formalistischen Tendenzen und deren Rückzugsstrategien zum Ausdruck bringt. Ein sensorisches Kriterium des Bildes liegt in der Belebung einer Art Dramatik, die durch jene Applikation des Seidentafts, der sich zum »Puff« formiert, bewirkt wird. Melodisch klingt durch das Einziehen der Stoffdraperie ein swingender Rhythmus an.
Franz Amanns über mehrere Jahre verfolgtes Projekt »THE TEAR MUSEUM« (2005-2008) beinhaltet Werke wie »Träne No.6 mit Öl auf Leinwand«, »TEARBONES« konstruiert aus Holzrahmen und die »TEARSKINS«, deren bemalte Leinwände wie Tierhäute übereinander gestapelt sind. Der Malerei wird sprichwörtlich die Haut abgezogen. Die Konstruktion der Rahmen vollzieht hier eine Überleitung vom Ornament zum Icon. Im Gegensatz zu früheren Werken wie »PATTERN« (2003-05), in welchen Amann direkt das Ornament aufgriff, tritt es nun singulär als Code für eine Trauerarbeit in der Malerei in Erscheinung. Die, folgen wir Yves Alain Bois’ Text »Malerei – die Aufgabe des Trauerns« es zu leisten gilt, um gegen eine Reduktion von Kunst zum Warenfetisch und Malerei zur Flachware anzukämpfen. Eine Ästhetik der Absenz gerät durch »Licht im Winter/Lenz 2« (2008) ins Bild. Amann transformiert den verchromten Stahlrahmen seines Arbeitstisches zu einem Bildobjekt. Während es in »Licht im Winter/Lenz 1« (2008) du! rch eine Textpassage aus Georg Büchners Lenz zu einer Verschränkung von literarischem Fragment und Bildtextur kommt, ist es in »Licht im Winter/Lenz 2« dessen Rahmung und Ausblendung. Der Rahmen des Arbeitstisches als Ready Made wird durch diese Brechung der Rahmenbedingungen in einem Prozess des Neubewertens, Erinnerns und Erkennens zu einem Bildobjekt. Autorschaft und Künstlerbild werden hier geschickt einander gegenübergestellt und herauskatapultiert.
Im Werk »BLACK STAR (TO CRISTOBAL B.)« (2006) existieren Referenzen zu dem berühmten Coutier Cristobal Balenciaga, der Mode als Kunst begriff und der auf die Ausschweifungen und politischen Forderungen der 1968er-Bewegung mit dem Statement reagierte, dass die Zeit für elegante luxuriöse Mode vorbei ist. Ein Titel, der im Gegenzug zur Verwendung des luxuriösen Seidentafts für die applizierten »Puffs« gewählt wurde. Eine Option für den Titel wäre außerdem »Schwarzer Stern verpufft« in Anspielung darauf, über welche radikale Sprengkraft die Malerei als Medium verfügt. In seiner Rezeption von Malerei, Mode und Design kommt Franz Amann jenem Künstlertypus sehr nah, den der Theoretiker Hal Foster als solchen beschrieb, der sich Paradigmen der Vergangenheit zuwendet, um neue Möglichkeiten zu eröffnen. Amüsiert erwähnt Amann eine von dem Kritiker Jan Verwoert organisierte Veranstaltungsserie mit dem Titel: »Why conceptual artists paint again, because it is a good idea«. Wir lachen. ! Amann selbst sieht sich weder als konzeptueller noch als postkonzeptueller Künstler, entzieht sich derartigen Zuschreibungen. Es ist ein subtiler, einer intellektuellen Intuition folgender Humor, auf den wir in Amanns Bildern treffen und der sich auch in Bildtiteln wie »ELLS-WORTH-LESS« (2006) oder »JE SUIS AMANN« (2007) ausdrückt.