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Katrin Plavcak & Klaus Mosettig & Hannes Zebedin Event
Vorherrschendes Thema der Ausstellung Human or Other von Katrin Plavčak im Hauptraum der Secession ist die Eroberung neuer Räume und die sie begleitenden Vorstellungen und Fantasien vom Fremden. Die eigens geschaffenen Arbeiten umfassen neben zahlreichen gemalten Bildern eine Reihe von beweglichen Objekten, eine Außenarbeit und das in Zusammenarbeit mit Johanna Kirsch entstandene Video No New Colonies ein Musikclip zum gleichnamigen Song der beiden Künstlerinnen.
Entgegen den Präsumtionen, die der Malerei und ihrer oft für beendet erklärten Geschichte im 20. Jahrhundert anhaften, arbeitet Katrin Plavčak an einer Entgrenzung des Mediums. Zum einen hält sie die Malerei gegenüber einer medialisierten Umwelt offen, zum anderen entwickelt sie durch Nebeneinander- und Gegenüberstellungen raumgreifende Bildkonzepte und verlängert die Malerei vielfach ins Skulpturale und Installative.
In der Secession inszeniert Katrin Plavčak ihre Arbeiten zu einem Ensemble, das die Kolonialisierung fremder Länder, die futuristische Raumfahrt, Menschliches und Außerirdisches zu neuen Erzählungen zusammenfügt. So ist der zentral positionierte Heliumballon eine Referenz auf den Raumfahrtpionier Joe Kittinger, der 1960 in einem Ballon in die Höhe von 35km aufstieg und im freien Fall zur Erde zurückkehrte, während die Stahlrohrskulpturen Dreibeinige Herrscher auf die Figur von verlebendigten Maschinen in der gleichnamigen Science-Fiction-Fernsehserie der 1980er Jahre zurückgehen. Bei den gemalten Bildern verbindet sie einige realpolitische Anspielungen mit der fantastischen Metaphorik neuzeitlicher Chimären und hybrider Technik. Andere wiederum sind von abstrakten Rollos, Gittern und Netzstrukturen überzogen, welche die gewohnte, dem Blick folgende Aneignung verhindern und vom Betrachter eine Neubestimmung seiner Position fordern.
KLAUS MOSETTIG
PRADOLUX
Der in Wien lebende Künstler Klaus Mosettig präsentiert in der Galerie der Secession eine Auswahl jüngst entstandener Zeichnungen. Mosettig konzipiert seine Arbeiten in Gruppen, die sich in Gegenstand und Erscheinungsbild unterscheiden, aber von einer konsistenten Grundhaltung getragen sind. Die Serie Apollo 11 geht auf eine Folge von Diapositiven zurück, welche Mosettig auf dem Flohmarkt gefunden hat. Es handelt sich um Nahaufnahmen der Mondoberfläche, die im Zuge der ersten Mondlandung 1969 angefertigt wurden. Klaus Mosettig interessiert nicht die historische Dimension, sondern der abstrakte Charakter dokumentarisch angelegter Bilder, deren Deutung ohne Kontext zweifelhaft wird. Das Motiv ist nicht der Mond, sondern konkrete Dias bzw. deren Projektion, minutiös auf den Papiergrund übertragen. Die Projektion als gängiges Hilfsmittel heutiger Bildproduktion wird ebenso Thema wie der Gestus künstlerischen Abbildens generell, im traditionellen Medium der Zeichnung. Diese setzt sich bei Mosettig durchgängig aus Schraffuren stets gleicher Ausrichtung und Dichte zusammen. Was aus der Distanz immateriell anmutet, erweist sich aus der Nähe als ein Feld aufwändiger manueller Bearbeitung, das sich vom Dargestellten emanzipiert.
Ähnlich greift Mosettig Bilder von Jackson Pollock auf. Seine Version des Großformats Number 32 von 1950 (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf) hat dieselben Maße wie das Original und ist ebenfalls nach einer Diaprojektion gearbeitet. Die medialen Transformationen lassen Pollocks dynamisch gegossene Farbschlieren zu einem nervösen, zittrigen Gespinst werden. Pollocks Bilder stehen gleichrangig neben anderem visuellem Ausgangsmaterial, liefern in ihrem Kunstcharakter jedoch die zusätzliche Möglichkeit, angestaubte, aber langlebige Kategorien der Kunstbetrachtung (Authentizität der malerischen Geste, Autorität des visionären Künstlersubjekts) durch groteske Verkehrung zu ironisieren. Diesbezüglich bedeutsam ist auch die horizontale Präsentation von Mosettigs Arbeit, welche das Konzept der Drip-paintings auf den Kopf stellt, die, obwohl auf dem Boden liegend produziert, traditionell an die Wand gehängt werden. Schließlich versetzt Mosettigs 15-malige zeichnerische Wiederholung einer Tuschearbeit von Pollock die Idee vom einmaligen Original und die Praxis kunstmarktbedingter Vervielfältigung in eine unauflösbare Spannung, indem beides zu einer paradoxen Einheit verschmilzt.
Der Titel der Ausstellung Pradolux leitet sich schließlich von einem dritten Werkkomplex ab. Die feinsten Markierungen, welche die Blätter wie Negative eines Sternenhimmels erscheinen lassen, sind nichts anderes als Verunreinigungen der Linse eines Diaprojektors, welche Mosettig im wahrsten Sinn des Wortes in den Fokus genommen hat. Nochmals zeigt sich ein durchgehender Aspekt von Mosettigs Kunst: Die akribische „Gegenständlichkeit“ von Zufallsstrukturen erzeugt gerade keinen Erkenntnisgewinn über den Gegenstand, setzt aber Grenzziehungen unter Druck und lässt Orientierungen labil werden.
HANNES ZEBEDIN
MIT SCHWUNG DURCHQUEREN ANSTATT SICH AUFZUHALTEN
Hannes Zebedins Ausstellung Mit Schwung durchqueren anstatt sich aufzuhalten im Grafischen Kabinett der Secession thematisiert den White Cube als Modell des (hermetischen) Kunst-Raums ebenso wie dessen Überwindung durch den „Einbruch“ der Realität in eben diese Kunst-Welt. Seine Ausstellung besteht aus zwei Situationen, die einerseits für sich stehen, andererseits durch die gegenläufige Bewegung der räumlichen Transformationen eine Dialektik zwischen der Etablierung eines abgeschlossenen Formats und seiner Zerstörung schaffen.
Das zum Grafischen Kabinett hinauf führende Stiegenhaus, ein funktionaler, der Kunstbetrachtung vorgelagerter Raum, besitzt durch einen Einbau des Künstlers keinerlei funktionale oder dekorative Details mehr und wird in gleißendem Weiß beleuchtet. An den Wänden des nunmehr minimalistisch klaren Raums ist, wenn auch nur fragmentarisch wahrnehmbar, jenes Zitat des italienischen Futuristen Aldo Palazzeschi zu lesen, das Zebedin als Motto und Titel für seine Installation nutzt: „Wir wollen anstatt sich im Dunkel des Schmerzes aufzuhalten, ihn mit Schwung durchqueren, um in das Licht des Lachens einzutreten.“
Wird im Stiegenhaus der White Cube zitiert, so gleicht der eigentliche Ausstellungsraum aufgrund eines aktivistischen Steinwurfs des Künstlers einem durch Vandalismus oder Protest stark in Mitleidenschaft gezogenen Ort: Die Fensterscheiben sind eingeschlagen, am Boden verstreut liegen Glasscherben und Pflastersteine. Außenraum, Straßenlärm, Temperatur etc. sind ungefiltert wahrnehmbar, die Lichtsituation im Raum ist vom Außenlicht abhängig. Die Referenzen, die Hannes Zebedin zu anderen künstlerischen Positionen und gesellschaftlichen Entwürfen eröffnet, sind vielfältig: Sie reichen von den Futuristen – die bekanntlich das Aufgehen des Individuums in der Masse propagierten – zu Franz Kafka, dessen existentialistische Texte eben genau dieses Individuum fokussieren, umfassen aber auch Gordon Matta-Clark, dessen „Window Blow-Out“ hier als Inversion zitiert wird, und Bruce Nauman mit seinem „Performance Corridor“.
Es ist charakteristisch für die pointiert inszenierten Installationen, Interventionen und Performances von Hannes Zebedin, dass er die Möglichkeiten einer individuellen Artikulation gegenüber anderen gruppendynamisch gebündelten Entwicklungen innerhalb der Zivilgesellschaft untersucht. Mit dem Steinwurf durch die Fenster des Grafischen Kabinetts zitiert er die Ästhetik einer politischen Handlung und befragt sie zugleich in ihrer Beziehung zur Konvention des die Realität ausklammernden White Cube im Besonderen und der Kunstwelt im Allgemeinen. Dabei sucht er in seiner zeitgenössischen Interpretation des Formats des Manifests nach Möglichkeiten einer klaren Positionsbestimmung einer politischen oder künstlerischen Haltung, die im Gegensatz zum postmodernen „Anything goes“ steht.