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Tugend und Geschlechternorm im Briefroman des ausgehenden 18. Jahrhunderts Event
Im Briefroman des ausgehenden 18. Jahrhunderts werden unter der Prämisse, es handle sich bei den zwischen den Romanfiguren gewechselten fiktiven Briefen um den »direkten« und authentischen Ausdruck ihres (emotionalen, den Fortgang der Erzählung betreffenden, etc.) Befindens, Erlebnisse des fiktionalen Charakters, aber auch von ebendiesem, erzählt.
Anhand der anonym erschienenen “Briefe einer italienischen Nonne” (1784), Ludwig Tiecks “William Lovell” (1795/96) und Caroline Pichlers “Agathokles” (1808) soll gezeigt werden, wie im Briefroman polyvalente Geschlechtercodierungen erschrieben werden. In diesen Texten werden weibliche Tugend- und männliche Entschlossenheitsgebote teils unverblümt zu einer Ansammlung allgemeiner moralischer Normen geballt, teils aber auch in ihrer Maskenhaftigkeit reflektiert. Zur Rechtfertigung für die (anonyme) Herausgabe des Briefwechsels zwischen einem allzu »empfindsamen« Verführer und dem letztlich doch wieder tugendhaften Mädchen wird - die lehrhafte Ausprägung und das Motiv sind paradigmatisch für viele Briefromane der Zeit - der allgemeine Nutzen dergestaltiger Lektüre angeführt.
Die Geschlechterrollenverteilungen und ihre Diskursivierung im Text, Anschlüsse an verschiedene Stränge von Prätexten und die Form des Romans sollen ebenso Beachtung finden wie die übergreifende These, dass die genannten Texte Schnittstellen zwischen Literatur und Welt, Gattung und Norm, Geschlecht und Tugend, Lektüre und Handlung thematisierend hervorheben.
Mag. Stephan Kurz
Studium der Deutschen Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien und Konstanz, Arbeiten zur Mediengeschichte der Typografie, zur Schrifttheorie sowie zur Editorik. Seit 2007 Anstellung am Institut für Germanistik an der Universität Wien im Rahmen des Dissertationsprojekts. Typografie und Flächengestaltung auch im angewandten Bereich. Diverse Publikationen.
Eine Veranstaltung der Koordinationsstelle für Genderfragen