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Roger Heacock über: Das transregionale „Feld“ der Palästina Intellektuellen Event
Universitätsalltag im Ausnahmezustand
Der „Ausnahmezustand“ ist die überwiegende Normalität, sogar der großen Demokratien. Im „Nicht Westen“ stehen noch dazu Legalität und Legitimität einander manchmal feindlich gegenüber. Für die besetzten Gebiete Palästinas im allgemeinen, und für ihr Hochschulwesen im Besonderen gilt dies umso mehr, als der Ausnahmezustand-cum-Besatzung seit vierzig Jahren eine sich ununterbrochen verändernde und doch immer gleich bleibende tägliche Erfahrung bildet. Die Mehrheitspartei (Hamas) ist von der Palästinensischen Autorität in Ramallah sowie den israelischen Behörden verboten, ihre Anhänger werden verfolgt.
Wie organisieren sich die rund ein Dutzend Universitäten der besetzten Gebiete, um trotzdem ihre Aufgabe und Berufung weiterzuführen? Erstens einmal, indem sie einfach existieren (Mahmud Darwisch: „Wir sind noch da“). Zweitens, indem sie die stets anwesende Blockade und Besatzung durch internationale akademische Beziehungen überwinden. Und drittens, dank dem Einsatz einer aktiven intellektuellen Solidarität zwischen dem palästinensischen Innern und der Diaspora. Es kann hingegen, solange die Besatzung andauert, keine inter-institutionellen Beziehungen zu israelischen Universitäten geben, wenn auch kulturelle Kooperation, schon aus Mobilitätsgründen stark begrenzt, manchmal stattfindet. Das weltweite Netzwerk von In- und AuslandspalästinenserInnen hat durch das Überspringen der Mikro- und Makro-Barrieren eine Art täglicher Normalität der WissenschaftlerInnen im Ausnahmezustand erzeugt. Seine Teilnehmer agieren leichtfüßig als Mitglieder eines transregionalen Bourdieu’schen „Feldes“, dessen Einzigartigkeit auch seine Genies hervorgebracht hat (Edward Said, Mahmud Darwisch).
Dieses Sprengen der geistigen Blockade hat widersprüchliche Auswirkungen: die palästinensische Intelligenz und ihre Universitäten schaffen mehr als Überleben oder Durchhalten; sie entwickeln sich exponentiell. Zugleich bewirkt aber diese „Normalisierung der Ausnahme“, dass sie ihre frühere Stellung als Gramsci’sche, ihrem einheimischen Regime gegenüber kritische, „organische Intellektuelle“ verlieren, während sie von der (Um)Welt noch immer als die „Anderen“ vereinfacht werden.
Roger Heacock, Gastprofessor and der Universität Wien (WISO und Zeitgeschichte) ist Universitätsprofessor für Geschichte an der Universität Birzeit in Palästina. Zuvor lehrte er an der Universität Paris 7, am Genfer Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales (IUHEI), an der American University in Kairo und am Colorado College. Er beschäftigt sich heuer mit der Geschichte des Meeres oder Thalassologie.
Begrüßung: Oliver Rathkolb (Institut für Zeitgeschichte)
Moderation: Andrea Komlosy (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte)
Im Anschluß wird zu einem Glas Wein gebeten.