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Wenn niemand zuhört. Inoffizielle Botschaften in Graffiti Event
Ausstellungsankündigung
FrauenMänner. WENN NIEMAND ZUHÖRT. Inoffizielle Botschaften in Graffiti
von Thomas Northoff
Projektionen
Vortrag und Lesung zur Eröffnung am 10. Oktober um 19h
von 10. Oktober bis 25. Oktober 2008
Verbale Graffiti im Spannungsfeld von Stereotypien der Frauen- und Männerbilder
Die Anonymität, ein Typicum von verbalen Graffiti, motiviert zu völlig unzensurierten Äußerungen. Vor allem in Toilettenanlagen muss man/frau nicht fürchten erwischt zu werden und die inschriftliche Äußerung inhaltlich rechtfertigen zu müssen. Es handelt sich also um unverfälschte subjektive Meinungen, wie sie von Angesicht zu Angesicht kaum ausgesprochen werden.
Erwiesen ist auch die Ventilfunktion von Graffiti, die einen, wenngleich meist nur vorübergehenden, Spannungsabbau der schreibenden Personen ermöglicht.
Sonderstellung Mädchen
Von Interesse hinsichtlich Graffiti sind auch die Zugänge zu dieser Art von Kommunikation. Burschen und Mädchen bzw. Männer und Frauen drücken sich und ihre Themen sehr unterschiedlich in Graffiti aus.
In Parks tauchen besonders viele LiebesGraffiti auf, die den Eindruck erwecken, sie seien von sehr jungen Mädchen geschrieben. Mädchen schreiben diese gerne, herzlicher und selten mit Vulgärausdrücken. Dennoch: Im gesamten Alltagsbild scheinen auch zum Thema Liebe männliche Jugendliche bis siebzehn in Graffiti öfter auf als weibliche.
Einen Grund, dass an bestimmten Stellen in Parks zahlreiche von weiblichen Jugendlichen ausgeführte Graffiti zu finden sind, mag in der von Benard/Schlaffer beschriebenen Eigenschaft frühjugendlicher Mädchen liegen, sich gerne auf einen Platz zurückzuziehen. Von Seiten der Buben wird dies – auch inschriftlich - mit sofortigem Raumgreifen beantwortet.
Als die drei meistgeübten Tätigkeiten von Mädchen im Park haben Benard und Schlaffer folgende identifiziert:
- die Betreuung kleiner Geschwister,
- mit Freundinnen auf der Bank sitzen,
- Nutzen der altersmäßig und körperlich inadäquaten Spieleinrichtungen für die Kleinkinder.
Ich nehme daher an, dass mit dem Überhang an Ruhigstellung auch die große Zahl der MädchenGraffiti auf den Bänken und Tischen erklärbar ist.
Die älteren Mädchen vor allem der moslemischen MigrantInnen-Familien dürfen oft nicht mehr in den Park. Entsprechend fehlen von ihrer Seite komplexere weibliche Liebesbotschaften, welche nun vor allem türkische männliche Jugendliche melodramatisch und ausführlich schreiben.
Die Ungleichgewichtigkeit zwischen Burschen und Mädchen im öffentlichen Park „ergibt sich aber nicht nur aus biologischer Hinsicht sondern unterliegt auch äußeren Umständen, wie Erziehung der Eltern und dem Einfluss der Gesellschaft, welche die Psyche stark prägen“.
Die bezüglich Liebe zahlreichen Botschaften der pubertären und nachpubertären Burschen vermitteln den Eindruck, dass Kommunikation über Sexualität gesprächsweise kaum fruchtbringend stattfindet. Vielmehr zeigen sie ein starkes Bedürfnis nach Kommunikation zum Thema Sexualität. Und es sind zotige verbale Posen, die das Nichterwartenkönnen der Ausübung von Sexualität, das in diesem Alter vor allem Burschen innewohnt, hervorruft. Da schreibt einer mit türkischem Namen die vielen Namen der Mädchen auf, die er vernascht hätte, ein anderer prahlt mit den großen Gliedern, welche die Männer seiner Nationalität hätten und ein Dritter behauptet, er ficke die Mutter des Mädchens, das ihn offensichtlich nicht erhört, in den Arsch. Markant ist der Machismo seitens der Burschen, die den Mädchen keine sexuellen Erfahrungen zubilligen, außer mit dem jeweiligen Schreiber selbst.
Seit einigen Jahren sind LiebesGraffiti, die den angeführten Namen nach auf bikulturelle Pärchen hinweisen, im allgemeinen GraffitiBild normal. Vielleicht deuten hier die Graffiti in liebenswürdig schlichter Art eine interkulturelle Tendenz voraus.
Auf den Männertoiletten für Klienten des Arbeitsamtes im 3.Bezirk spiegelten bis zur Renovierung Wände und Türen intensivst die Ansicht wider, dass „die Ausländer“ „an allem schuld“ seien. „Ein Ethnozentrismus, der charakteristisch gerade für Kriegergesellschaften zu sein scheint und der im Fremden eine Bedrohung der eigenen Kultur und der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten sieht. Der Fremde, bei uns der Gastarbeiter und der Einwanderer aus dem Osten, wird für gefährlich angesehen und verantwortlich für soziale Missstände, so vor allem für die Arbeitslosigkeit gemacht“, schreibt Roland Girtler.
Die Toiletten der Frauen hingegen waren im Arbeitsamt vornehmlich mit als konstruktiv verstandenen Graffiti versehen, in denen u.a. Vertrauen auf Gott angesprochen wird. Eine andere Klientin sieht das nicht so und fragt nach den Rechten der Frau. Wieder eine andere warnt davor, dass in einem bestimmten Stockwerk amtlicherseits streng gewaltet wird. Es fand sich kein einziges fremdenfeindliches Graffito bei den Frauen, aber auch kein fremdsprachiges, von welchen sich auf dem Herrenklo vier fanden. (Thomas Northoff)
Kurzbiografie
Thomas Northoff, Jg.47 Wien, lebt ebenda als Schriftsteller und Kulturwissenschaftler mit Schwerpunkt GraffitiForschung. Baut seit 1983 das „Österreichische GraffitiArchiv für Literatur, Kunst und Forschung“ auf. In die Kapitel aus StadtLeseBuch/Letztes Volksbuch“, der nur über Projektionen zugänglichen literarischen Arbeit mit dem inoffiziell geschriebenen Sprachmaterial, fließen die Archivalien intensivst ein; in Northoffs wissenschaftlicher Arbeit desgleichen, jedoch unter anderem Aspekt.
Einzelausstellungen, Ausstellungsteilnahmen, Lesungen und Vorträge in Österreich, Deutschland, Ungarn und der Schweiz.
Letzte Einzelveröffentlichungen: Graffiti. Die Sprache an den Wänden.(Verl. Löcker 2005); LUST. IG Verlieren (herbstpresse 2005); Portrait (Podium Verl. 2007)
Am Ende der Ausstellung findet ein künstlerischer Workshop statt:
Frauenzimmer und Mannsbilder
mit Greta Znojemsky
Samstag 25. und Sonntag 26. Oktober 2008
Sa von 15.00 – 19.00h
So von 9.30 - 18.00h
Unterstützt von Bezirksvertretung Wieden und KunstArt
Windspiel Galerie
Weyringergasse 20
1040 Wien
T: 01 505 71 99
F: 01 505 48 90
Mobil: 0699 1 505 71 99
Web: www.windspiel.at
Email: office@windspiel.at
Öffnungszeiten: Do+Fr 17-20h, Sa 11-15h u.n.V.