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Massenmord als blinder Fleck der Wissensökonomie
Zur Geschichtsvermittlung durch Stefan Ruzowitzkys Film “Die Fälscher”
Vortrag
Drehli Robnik
Seit seiner Premiere bei den Berliner Filmfestspielen 2007 und insbesondere im Anschluss an die Verleihung des “Auslands-Oscar” 2008 wurde “Die Fälscher”, Stefan Ruzowitzkys Film über die von der SS betriebene Geldfälscherwerkstatt im Konzentrationslager Sachsenhausen, im Rahmen öffentlicher Diskurse evaluiert, die im wesentlichen auf zwei Bahnen verlaufen: Zum einen ist die Rede von der notwendigen Förderung des Filmwirtschaftsstandorts Österreich und den Chancen seiner international vergleichsfähigen Produkte auf dem Weltmarkt; zum anderen wird Ruzowitzkys Film als konsensträchtige Form von Geschichtsvermittlung gefeiert und, zumal im Rahmen der vom Unterrichtsministerium finanzierten Aktion “Kino macht Schule”, als praktikables Lehrmittel und Medium für das Outsourcing historischer Wissensvermittlung genutzt. Dabei fällt auf, wie das Thema von “Die Fälscher” die Umsetzung vernichtungsrassistischer nationalsozialistischer Politik und die Möglichkeiten von Widerstand gerade in der Nobilitierung des Films in einer Weise ausgewertet wird, die dessen Ausblendung nahekommt.
Angesichts der Deutungshegemonie von Kulturpatriotismus, Österreichmarketing und Bildungskrisenbewältigung bringt mein Vortrag einige Einsprüche vor. Dass Ruzowitzkys Film in den genannten Zugriffsformen nicht aufgeht, ist womöglich schon darin angelegt, dass er diese selbst zu Perspektiven seiner Geschichtsvermittlung im Blick auf den Holocaust macht: Geht es doch anhand der Fälscherwerkstatt im KZ gerade um einen (im Rahmen eines “Heimatschutzprojekts” fungierenden) Kreativwirtschaftsstandort, dessen motivationspsychologischer Kontrolle das Problem des Wissens entgegensteht das Problem der Kenntnis der ausgewählten Wissensarbeiter vom Massenmord an den Unerwünschten und Überflüssigen, der rund um sie herum hinter Zäunen abläuft. Um diese Punkte zu verdichten, wird der Vortrag Begriffe zur Beziehung von Kino und Postfordismus, sowie zur Geschichtlichkeit des Films zum Einsatz bringen, und überdies auf die Figuration des NS-Massenmordes in Ruzowitzkys früheren Regiearbeiten eingehen.
nach dem Vortrag Diskussion mit Ingo Zechner (Historiker und Philosoph)
Drehli Robnik, Historiker, Filmwissenschaftler, Key Researcher am Ludwig Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft zum Thema “Geschichtlichkeit des Films anhand von Hollywoods (Re-)Visionen des Zweiten Weltkrieges”; lehrt an der Universität Wien, Masarykova Univerzità Brno, Universität für Angewandte Kunst; Publikationen zu Theorie und Ästhetik des Films, insbesondere Film und Nationalsozialismus, Film und Geschichte/Politik, Kino und Krieg, Horrorfilm; gelegentlich Filmkritiker, Disk-Jockey und Edutainer; “lebt” in Wien-Erdberg.
