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Buchpräsentation mit Renate Göllner, Alex Gruber, Ljiljana Radonic und Gerhard Scheit
Während Kritische Theorie, die sich auf die Psychoanalyse stützt, stets an Freuds Orthodoxie festhielt, waren es vornehmlich Linke, die dessen Lehre revidierten und sie mit verbalradikalem Gestus von einem radikalen Medium der Aufklärung zu einem der praktischen Anpassung an die bestehenden Verhältnisse machten. Diese Revision nahm bereits zu Lebzeiten Freuds durch Alfred Adler und Wilhelm Reich ihren Ausgang und schlug sich nicht zuletzt in der wohlwollenden bis emphatischen Rezeption des Nazisymphatisanten C. G. Jung und des Heidegger-Verehrers Jacques Lacan nieder. Wesentliche Erkenntnisse der Psychoanalyse, wie die Trieblehre, die Bedeutung des Unbewußten, die Mechanismen von Verdrängung und Sublimierung sowie die infantile Sexualität, sind auf die eine oder andere Weise zurückgenommen worden, wodurch zugleich die gesellschaftskritische Wahrheit der Psychoanalyse entwertet wurde. Dadurch gelang es, den “revolutionären Vorstößen der unbequemen Psychoanalyse” (Freud) den Stachel zu ziehen.
Gerade an der Zurücknahme der gesellschaftskritischen Implikationen der Psychoanalyse zeigt sich auch heute ihre Verwobenheit ins falsche Ganze. Freud hingegen bot Aufklärung über die Familie als Elementarform der Gesellschaft, und er stärkte zugleich das Individuum, das aus der Familie hervorgeht, gegenüber dieser Gesellschaft. Daran hat jede Kritik sich zu messen, die ihrem, von Marx bis zur Kritischen Theorie geprägten Begriff gerecht werden möchte und dem Zwang des repressiven Kollektivs die freie Assoziation der Individuen entgegensetzt. Eine Psychoanalyse wie eine Linke hingegen, die Repression, patriarchale Gewalt, Triebverleugnung und Lustfeindlichkeit, Bereitschaft zum Opfer, Homophobie und Antisemitismus unter dem Schlagwort Multikulturalismus rechtfertigen, sind auch am logischen Endpunkt ihrer Freud-Rezeption angekommen. Die Aktualität der Freudschen Analyse im Zeitalter des Suicide Bombing und der Ehrenmorde kann nur gegen sie durchgesetzt werden.
Renate Göllner/Ljiljana Radonic (Hg.): Mit Freud. Gesellschaftskritik und Psychoanalyse, Ça ira-Verlag, Freiburg 2007, 200 Seiten, 13,50 €
