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Filmhimmel #78 Event
Bild In EIN DRITTES REICH entlarvt Alfred Kaiser anhand von pointierten Montageprinzipien die Phrasenhaftigkeit der Symbole, Zeichen und Sehweisen des Nationalsozialismus. Er verwendet als Ausgangsmaterial Bild- und Tonsequenzen der Reichsfilmindustrie. »Das Mittel, die Phrase zu entlarven, besteht darin, sie ernst zu nehmen«, schreibt Kaiser. Und sie neuen Kombinationen zuzuführen.
Bereits der Titel spricht von der Notwendigkeit, etwas zu verbergen: DECKNAME SCHLIER. Getarnt über den Namen der geologischen Gesteinsart, bezeichnet Schlier einen unterirdischen Rüstungsbetrieb, der die Triebwerke der V2-Rakete, Hitlers vermeintlicher Wunderwaffe, testet. Der Rohstoff Arbeitskraft, der zum Ausbau dieses Prüfstandes benötigt wird, stammt von Häftlingen aus dem Konzentrationslager Mauthausen. Ein Nebenlager wird direkt am Werk Schlier errichtet. Anlass, diesen Film zu drehen, gibt ein frei in der Landschaft stehender Bunker in der Nachbarschaft des Geländes der Brauerei Zipf in Oberösterreich. 1984 begeben sich die Filmemacherin Wilma Kiener und der Kameramann Dieter Matzka auf Spurensuche. Der Zuschauer wird Zeuge eines Prozesses, der auf die Erforschung von Vergangenem gerichtet war und doch vorrangig von Interventionen aus der Gegenwart berichtet. Er lernt die Schwierigkeiten bei der Recherche kennen. Angesprochene Personen und Institutionen möchten die Vergangenheit abgeschlossen ruhen lassen. Teile der Bevölkerung von Redl-Zipf versuchen die Filmarbeit zu verhindern: ›Hände weg von dieser, ganz recht unerträglichen Sache, die ja Gott sei Dank bis jetzt verschwiegen wurde‹. Materialeinsicht wird behindert. Mitarbeiter des öberösterreichischen Landesarchivs verschanzen sich hinter Paragrafen. Andere fühlen sich nach vierzig Jahren noch immer an den Führereid – als Geheimnisträger zu schweigen – gebunden, wie ein ehemals leitender Angestellter der Rüstungsanlage. Die Verantwortlichen der Brauerei Zipf erweiterten diese Leerstellen in den Bildern um ein weiteres Verbot: Auf dem umzäunten und bewachten Gelände der Brauerei, auf dem sich der Rüstungsbetrieb befand, darf nicht gefilmt werden. DECKNAME SCHLIER versammelt ein reiches Arsenal an Personen wie verschiedenste Erinnerungsvehikel – Tagebücher, Dorfchroniken, Briefe, die 1945 geschrieben wurden etc. – ohne didaktischen Eifer. Dokument und Erzählung gelten dem Film als gleichberechtigt. Eine Richtschnur des Objektiven, die auf einheitliche Sicht zusammenfügt, liegt ihm ebenso fern wie abgeschlossenes Wissen. Reaktionen, Verhaltensweisen und Erfahrungen vermitteln ein offenes, heterogenes Bild. Moral wird nicht mit Gegenmoral beantwortet. (Elisabeth Büttner, Christian Dewald)