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Defensio von Martina Gimplinger Event
Das Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste lädt herzlich zur Defensio von Martina Gimplingers Dissertation WAS UNS ANGEHT: Zuschauen als ethische Relation ein.
Mitglieder des Prüfungssenats sind: Univ.-Prof. Dr.phil. M.A. Elke Gaugele (Vorsitzende), Univ.-Prof. Dr.phil. Ruth Sonderegger (1. Betreuerin), Prof. Dr. Bojana Kunst (2. Betreuerin), Univ.-Prof. Mag. Dr. Eva Kernbauer (externe Gutachterin, Universität für angewandte Kunst Wien).
Abstract
In WAS UNS ANGEHT: Zuschauen als ethische Relation widme ich mich der Frage, wie wir heute mit einschneidender Gewaltgeschichte umgehen. Wie begegnen wir historischen Subjekten, die im Archiv größtenteils von einem Vokabular der Vernichtung definiert werden? Diese Fragen sind für mich eng mit der Solo-Tanzperformance When Even The (2018) von Clara Furey verbunden. Im Museum moderner Kunst Wien performte Furey neben einem flachen, metallenen Gegenstand. Dabei handelte es sich um eines jener Fundstücke, die der Schriftsteller und Photograph Heimrad Bäcker auf den Geländen der ehemaligen oberösterreichischen Konzentrationslager Mauthausen und Gusen sammelte. Im Zentrum der verhandelten ästhetischen Formen des nachträglichen Bezugnehmens auf die Geschichte der Shoah stehen körperliche Vollzüge des Aufhebens (Bäcker) und des Nachspürens (Furey). Bäckers Gesten des Aufhebens sind von einer Sorge des Aufbewahrens animiert und werfen die Frage auf, wie wir, die wir mit einer Geschichte der Täter*innen verbunden sind, uns an die Ermordeten erinnern wollen. Aus Bäckers jugendlicher Begeisterung für den „Führer“ entwickelte sich eine lebenslange, kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der Shoah. Vermutlich von Gefühlen der Schuld und dem Wunsch, diese aufheben zu wollen, motiviert, sicherte Bäcker verlassene Gegenstände. Während Bäcker Schuld trägt, so meine These, trägt Furey Sorge für die Ermordeten? Mit dem Begriff der Sorge rücken Prozesse von Relationalität, Verwobenheit, Vulnerabilität und gegenseitiger Abhängigkeit in den Vordergrund – im Gegensatz zu weiß und männlich perspektivierten Vorstellungen von selbstbestimmter Autonomie. Auf diese Weise werden Fureys Bewegungen des Neigens und des Beugens, der extremen Verlangsamung und des tiefen Atmens als verkörperte Szenen der Relation lesbar. Rückblickend wird dadurch zugleich ein in Bäckers Gesten des Aufbewahrens mit-aufgehobenes, jedoch unterbrochenes Potential des Sorgens sichtbar. Das Wahrnehmen von Szenen der Sorge auf der Bühne formt die Art und Weise unseres Zuschauens: Sie verlangen von uns, zu antworten und ansprechbar zu sein und können potentiell ein Zuschauen als ethische Relation hervorbringen. Die sensible Tanzperformance When Even The erlaubt ein Imaginieren von potentiellen Formen des Sorgens für die Ermordeten und ein Befragen der eigenen Affektivität im Umgang mit den Archiven der Gewalt – gerade für Zuschauende der Täter*innenländer.
Kurzbiografie
Als Kulturwissenschaftlerin interessiert sich Martina Gimplinger für die ästhetische und ethische Kraft von Performance, Tanz und Theater. Sie forscht zu Fragen des Umgangs mit westlicher Gewaltgeschichte auf dem kulturellen und künstlerischen Feld. Im Rahmen ihrer Dissertation an der Akademie der bildenden Künste erhielt sie ein DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie eine Förderung der Stiftung Zeitlehren. Publikationen umfassen Beiträge für In Extremis (Performance Research 2024), Addressing Amnesia Performing Trauma (Frida Robles und Kathrin Heinrich, monochrom 2023) und die Online-Zeitschrift THEWIS der Gesellschaft für Theaterwissenschaft (2023). Ihr Studium der Szenischen Forschung an der Ruhr-Universität Bochum schloss sie mit der choreographischen Arbeit No Place Like Home im Rahmen von Theaterfestival FAVORITEN 2014 ab. Ihr Studium der Afrikawissenschaften an der Universität Wien schloss sie mit einer Arbeit zu Tänzer und Choreograph Faustin Linyekula ab. Sie hält Vorträge und performative Lesungen, moderiert Künstler*innengespräche und arbeitet mit freischaffenden Choreograph*innen. Für den Falter schreibt sie zu den Wiener Festwochen und ImPulsTanz. 2022 war sie Jurorin für den Young Choreographers’ Award für ImPulsTanz. 2024 kuratiert sie mit Frida Robles Ponce das performative Labor Embodied (hi)stories: confronting the art collection im Wiener Museum moderner Kunst (mumok).
Die Defensio wird in deutscher Sprache und in Raum M13a in der Akademie am Schillerplatz stattfinden.
Wir freuen uns sehr, Sie bei der Defensio begrüßen zu dürfen.