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BOX DER WAHRHEIT
Anschläge auf die Demokratie
Befragte: Alexis Pascuttini, Julian Hessenthaler
Zum Auftakt jedes Wiener Prozess-Wochenendes werden je zwei Personen des öffentlichen Lebens in der Box der Wahrheit befragt. Angeschlossen an einen Lügendetektor werden sie in 30-minütigen Sessions öffentlich verhört und moralische wie politische Konstellationen untersucht. Ausgehend von den Lebensgeschichten, Erfahrungen und Entscheidungen der prominenten Teilnehmer:innen wird die Box der Wahrheit zum Ort politischer Widersprüche und ethischer Dilemmata.
Zur Box der Wahrheit – Anschläge auf die Demokratie:
Kurz vor der Europawahl am 9. Juni deuten alle Umfragewerte auf einen fortschreitenden Trend nach rechts hin. In den Sonntagsumfragen zur Nationalratswahl liegt die FPÖ unter Herbert Kickl dem Vernehmen nach klar in Führung. Ist diese Partei „gegen das System“, die NS-Phantasien von einem „Volkskanzler“ bedient, Ausdruck einer gefährdeten, entkräfteten Demokratie? Was passiert, wenn sie tatsächlich in ein EU-Parlament gewählt wird, das FP-Kandidat Harald Villimsky entmachten möchte? Ist die FPÖ, die sich als Hüterin der Antikorruption und der Sicherheit in einer Festung Österreich stilisiert, nicht selbst – wie viele Affären von Ibiza bis zur dubiosen Russland-Connections zeigen –, korrupt und ein Sicherheitsrisiko?
Am 7. Juni findet vor Beginn und während der Box der Wahrheit die Performance When the cat’s away von Emma Ahka in Zusammenarbeit mit Clara Holzer und Aylin Mutluer statt.
Alexis Pascuttini
Alexis Pascuttini, geboren 1996, ist seit Jänner 2024 als „der einst blaue Aufdecker, den die FPÖ nicht los wird“ (Standard) österreichweit bekannt. „Einst war er ein glühender Freiheitlicher, jetzt ist er Aufdecker eines großen FPÖ-Finanzskandals“, titelte jüngst der Falter ein Porträt des „rechten Investigativpolitikers“, der noch 2021 als junger Klubobmann im Grazer Gemeinderat vor einer steilen Partei-Karriere stand. Mitte Mai sagte er dann in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu einer heiklen Affäre aus: Zumindest 1,8 Millionen Euro aus der mit Steuergeld finanzierten Klubförderung sind im Grazer FPÖ-Parlamentsklub verschwunden. Pascuttini, der in Erfahrung bringen wollte, wohin das Geld geflossen war, wurde zuerst unter Druck gesetzt und dann aus der Partei ausgeschlossen. Seither führt er den „Korruptionsfreien Gemeinderatsklub“ an. Am Würstelstand in Graz zeichnete er Aussagen eines Ex-Parteikollegen auf: „Wie soll i denn allaan 700.000 Euro gefladert haben?“ Pascuttini wuchs im steirischen Knittelfeld als Sohn eines kommunistischen Stahlarbeiters auf. Bereits als Gymnasiast trat er der FPÖ bei. „Väterlicher Freund“ war ihm der FP-Politiker Wolfgang Zanger, der einmal meinte: „Natürlich hat es gute Seiten im Nationalsozialismus gegeben, nur die hören wir heute alle nicht mehr.“
Julian Hessenthaler
Julian Hessenthaler, geboren 1980, wurde 2019 durch die Organisation des Videos bekannt, das die FPÖ demaskierte und die sogenannte Ibiza-Affäre auslöste. Diese führte im Mai 2019 zum Bruch der österreichischen Bundesregierung. In dem verdeckt aufgenommenen Video sind damalige ranghohe FPÖ-Mitglieder zu sehen, die ihre Bereitschaft zur Korruption, Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien zeigen. „Für seine Kritiker“, so der Falter, „ist Hessenthaler nur ein Halbweltler, der sich jetzt wichtigmacht. Für seine Fans hingegen ist er ein Rebell der Zivilgesellschaft, ein Guerillakämpfer für die Demokratie. Einer, der sich einen Orden verdient hätte, weil er Österreich gerettet hat.“ Seit der Veröffentlichung des Videos saß Hessenthaler insgesamt 42 Monate im Gefängnis wegen Vorwürfen des Drogenhandels und der (versuchten) Erpressung mit dem Video. Hessenthaler selbst sieht sich als Opfer einer Politik-Justiz und kämpft vor dem Europäischen Gerichtshof für sein Recht. Derzeit arbeitet Hessenthaler in einer Immobilienkanzlei. Zuvor gab er Sicherheitsberater als Beruf an und war, laut FM4, „wohl eine Art Privatdetektiv, verdeckter Ermittler für das Bundeskriminalamt […]“. An der Universität für angewandte Kunst leitete er ein Research Lab zum Thema Open Source Intelligence.