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Manfred Peckl: Dieb Lumen des Bösen

Zeitgenössische Kunst Ausstellung
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2 Termine
Donnerstag 10. April
10. April
Do
18:00
Eröffnung
Manfred Peckl: Dieb Lumen des Bösen
bis Samstag 31. Mai
Do 10. April -
Sa , 31. Mai
Ausstellung
Manfred Peckl: Dieb Lumen des Bösen

Es gibt eine Platte des Musikers und Bildenden Künstlers Christian Marclay, die den Titel „More Encores“ trägt: Die Klänge, die man dort hören kann, sind Zerstückelungen und Wiederzusammensetzungen der Aufnahmen von Johann Strauss, Jimi Hendrix, Maria Callas, Serge Gainsbourg/ Jane Birkin und etlichen mehr. Und zwar nicht per Computer-Edit – wir schreiben das Jahr 1989 – sondern mithilfe eines Turntables, der variable Geschwindigkeiten und auch sonst allerlei Manipulationsmöglichkeiten bietet. Das ergibt dann, wie zu erwarten, ein bizarres Klangtheater aus akustischen Disruptionen, schrägen Rhythmustaumeleien und musikalischen Palimpseststrukturen, die Wiedererkennbares immer wieder in White Noise kippen lassen.

Die Erklärzeile zum Album besagt: „Christian Marclay plays with the records of …..“ Der Künstler spielt also mit Arbeiten, die einmal als integrale Werke die Öffentlichkeit erreicht haben und hier einer neuen Gestaltungslogik unterworfen werden. Ein in post-postmodernen Zeiten durchaus nicht unübliches Verfahren, das hier aber mit hoher Sensibilität für Valeurs, Timbres, neue Semantiken und dramatische Brüche durchgeführt wird.

Man soll künstlerische Arbeiten aus unterschiedlichen Genres auf keinen Fall analog setzen, doch es gibt ein paar Ähnlichkeiten zur Approximationsästhetik, mit der Manfred Peckl sich das Werk „Die Blumen des Bösen“ von Charles Baudelaire erschliesst: Auch er spielt mit den Versen des Poeten, der in der Literaturgeschichte als der wesentliche Instigator der modernen Dichtung gilt, indem er eine radikale Neukonfiguration des Gedichtzyklus bewerkstelligt: „Ich habe die Blumen mit dem Ziel, die Blätter in Blüten zu verwandeln, in Gräser und Kräuter, wiedergelesen.“ Schon der kunstvoll umsemantisierte Titel von Peckls Arbeit macht klar, worauf der Künstler hinauswill: „Dieb Lumen des Bösen.“ ´Dieb verweist darauf, dass die Vorstellung von ´Appropriation Art bei seinem Projekt zumindest als Hintergrundimpuls mitwirkt. ´Lumen` wiederum erinnert an Lumen Christi, einen Ruf aus der Liturgie der Osternacht, der das Licht Christi auch als geistige Illumination nach dem Dunkel der Fastenzeit feiert. In diesem Fall in einem gewissen Gleichklang mit der morbiden Agenda Baudelaires, bei der „die Ketzerlitanei geleiert“ und „Urweltgrausamkeit der Liebe“ beschworen wird, als Licht des Bösen.

Wobei Manfred Peckl klarstellt, dass er sich des Verbotenen, Verruchten und Unmoralischen, das Baudelaires Gedichte bis heute teleportieren, durchaus bewußt ist, aber mit seiner Arbeit eine wechselwirkende Markierung setzen möchte: Die Strophen aus den „Blumen des Bösen“, die vom Künstler als Grundierung der Text-Bild-Assemblagen gesetzt werden, erscheinen in authentischer Reproduktion. Doch ihre poetische Sinneinheit wird von Wortstängeln, Wortwurzeln, Wortblättern und Wortkronen durchsetzt, zerfetzt und überlagert.

So entstehen vegetabile Sprachgebilde, die als pflanzliche Sinnbilder für ein Leben stehen, „wo alles, selbst das Grauen, ein Zauberhauch umwittert“. Dies in scharfem Gegensatz zu den von Baudelaire charakterisierten alten Städten mit ihren winkeligen Falten, „wo hell am Tage das Gespenst den Gänger greift.“

„Das Überlagern mit Textpassagen aus anderen Gedichten ist immer auch übergriffig,“

schreibt Peckl, „eigentlich eine Frechheit, bleibt aber trotzdem eine Hommage.“

Seine Vorgangsweise teilt ein paar Aspekte mit der Konkreten Poesie, vor allem die Tatsache, dass die Sprache sich selbst als Artefakt darstellt. Das graphische Arrangement der Sprachzeichen folgt ähnlichen Gestaltungsprinzipien, auf die in der Konkreten Poesie häufige Reduktion des Wortbestandes aber wird verzichtet. Sinn und Form spielen zusammen, die durch die invasive Bearbeitung der Originalverse von Baudelaire modulierten Gedankensplitter gehen auf metempsychotische Wanderschaft und erzeugen neue Synapsensprünge: „In vielen der Blätter liest sich die Pflanze wie ein Teil des Gedichts, nimmt inhaltlich und formal Stellung, in anderen ist der Störfaktor dominant, als würden Gedanken in Gedanken dringen.“

Manchmal sind ganze Strophen aus den „Blumen des Bösen“ identifizierbar, über die sich nur ein schmales Textband zieht, das in eine unlesbare Wortkrone mündet. Dann wiederum blitzen in einem überlagerten Buchstabenarrangement Sinnpartikel wie „….klingend reich geglückt“ , „…und voll Freude“ … „ ….bis zur Raserei“ auf. Schließlich dringen andere Gedanken in die Gedanken ein und bringen das syntaktische Gefüge vertikal durcheinander: Neben allerlei Blindtext oder besser: erblindetem Text kann man lesen: „an Küssen laben“ „Mund erschliesst“, oder „der Laster Sturm.“

Auf diese Weise werden die Verszeilen von Charles Baudelaire noch einmal durch den Wortmixer geschüttelt, die poetische Verklausulierungslust erlebt im bildsprachlichen Remix ihre gedankliche Hypostase. „Bild und Gedicht koexistieren in unterschiedlicher Gewichtung,“ schreibt Manfred Peckl, „bilden aber stets eine Einheit.“

Ähnlich wie in dem am Beginn zitierten Musikbeispiel erklärt er die Arbeit eines anderen Künstlers zu seinem Material und inauguriert auf diese Weise eine das Raum-Zeit-Kontinuum aufsprengende virtuelle Kooperation: „Die Texte werden nicht illustriert, sondern als Bild zur Metapher ihrer selbst.“ Und „Die Blumen des Bösen“ transmutieren in ihrer pflanzlichen Symbolform zu „Dieb Lumen des Bösen.“

Um es mit den Worten Baudelaires in ihrer in die biomorphe Symbolform übersetzten Manifestation zu sagen:

„Und kannst im Schlummer ihres Mundes /…/ mit Küssen über welke Reize hinzugleiten.“ Und wenn sich die Wortpflanze/ das Pflanzenwort verästelt, ergibt sich folgende gedankliche Abzweigung: „….dem Nichts /…/ Endymion vom Abend bis zum Morgen.“

(Thomas Miessgang, 2025)

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