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Die Ausstellung ARBEIT AM FLEISCH des österreichischen Künstlers Thomas Feuerstein lädt zu einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit der komplexen Wechselwirkung zwischen Körperlichkeit, Biotechnologie und Informationstechnologie ein.
Nach SWEAT AND BLOOD von Pussy Riot – Diana Burkot ist ARBEIT AM FLEISCH die zweite Präsentation einer zeitgenössischen Kunstposition, die einen Einblick in die künstlerische Auseinandersetzung mit den tiefgreifenden Themen unserer Zeit gibt und dabei zugleich auch neue Perspektiven auf die Inhalte und Ausdruckformen des Wiener Aktionismus ermöglicht.
Die Auswahl der präsentierten Arbeiten beginnt mit einem der ersten größer angelegten Projekte Feuersteins zu Beginn seiner künstlerischen Karriere. Biophily ist ein äußerst komplexer Werkzyklus, der zwischen 1994 und 1999 in fünf kulturell unterschiedlich geprägten Hauptstädten (Daressalam/Tansania, Windhuk/Namibia, Los Angeles/Kalifornien, Mumbai/Indien und Bischkek/ Kirgisistan) entstanden ist und bis heute in seiner Gesamtheit noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen war.
Die weiteren Exponate präsentieren einen Querschnitt aus Performances, Laborexperimenten und interaktiven Arbeiten, die vor allem das vielfältige Spektrum verdeutlichen aus dem Thomas Feuersteins Oeuvre besteht.
ARBEIT AM FLEISCH thematisiert zum einen die Transformation des Körpers im digitalen Zeitalter, regt darüber hinaus auch dazu an, über die ethischen und philosophischen Implikationen einer zunehmend vernetzten Welt nachzudenken und diese zu hinterfragen.
Die Betrachter:innen sind aufgefordert, bestehende Vorstellungen von Identität und Differenz infrage zu stellen, um damit gleichzeitig auch einen Blick auf die Geschichte der Wiener Aktionisten zu werfen. Mit ähnlichen Themen wie Körperlichkeit, Identität und der Grenzüberschreitung von Kunst und Leben knüpft Feuerstein an deren provokante und transgressive Ansätze an. Beispielsweise heiratete er für das Projekt Biophily im Jahr 1996 in Indien einen Gummibaum, um einen transgenen Organismus zu schaffen. Anhand dieser provokanten Aktion zeigt Feuerstein die innovative Auseinandersetzung mit den Grenzen des menschlichen Körpers und der Natur, sowie rituellen Praxen. 31 Jahre nachdem Rudolf Schwarzkogler seine 1. Aktion Hochzeit (1965) durchführte, in der er wie ein Schamane oder Magier agierte und diverse symbolisch aufgeladene Objekte bearbeitete, um danach eine Art „mystische“ Hochzeit mit einer Braut zu vollziehen.
Durch die stetige Integration seines eigenen Körpers und seiner Zellen als künstlerisches Material, wie das Stück Haut, das er sich 1998 für die Arbeit Onko Shirt entnehmen ließ und vermischt mit Kollagen weiter kultivierte, verweist er auf die politischen, ökonomischen und technologischen Kräfte, die unsere Vorstellungen von Identität und Leben prägen. Dabei spielt auch die räumlich expandierende Netzwerkinstallation Daimon aus dem Jahr 2007 eine wichtige Rolle. Diese Arbeit übersetzt unsichtbare, digitale Informationsprozesse in Bewegung und Klang, um dadurch für uns alltägliche Prozesse, die wir ohne großes Nachdenken ritualisiert durchführen, sinnlich erfahrbar werden.
ARBEIT AM FLEISCH ist nicht nur eine Ausstellung, die historische und zeitgenössische Perspektiven miteinander verbindet, sondern vor allem die Frage aufwirft, wie Kunst als Spiegel unserer existenziellen und gesellschaftlichen Transformation dient. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen dem Menschen und der Maschine, Natur und Technik zunehmend verschwimmen, bietet Feuerstein eine spannende, oft kontrovers diskutierte Plattform zur Reflexion über die Zukunft unseres Daseins und fordert die Betrachter:innen dazu auf, die Verbindung zwischen lebendigen und unbelebten Elementen neu zu überdenken.
Thomas Feuerstein (* 1968) Studium der Kunstgeschichte und der Philosophie. 1995 Promotion an der Universität Innsbruck. Er war u.a. ab 1992 Mitherausgeber der Zeitschrift Medien.Kunst.Passagen, arbeitete an Forschungsaufträgen über Kunst und Architektur und Kunst im elektronischen Raum. Seit 1997 ist Feuerstein Lektor und Gastprofessor an Universitäten und Kunsthochschulen, zuletzt Professor für künstlerische Diskurse am Institut für experimentelle Architektur/studio3 der Universität Innsbruck. Thomas Feuerstein verwebt in seinen Projekten Kunst, Literatur und Philosophie mit Ökonomie, Politik, digitalen Medien und Biotechnologie zu künstlerischen Narrativen. Die Arbeiten umfassen raumgreifende Installationen, prozessuale Skulpturen, Zeichnungen, Hörspiele, Bio- und Netzkunst.
Seit Anfang der 1990er Jahre bilden Digitalisierung, Vernetzung und Biotechnologie einen zentralen Schwerpunkt in Feuersteins Projekten. Algorithmische Arbeiten entstanden ab 1990, darunter Netzwerkinstallationen und Projekte mit künstlichen neuronalen Netzen (KI). Ab 1995 gegann eine intensive Auseinandersetzung mit Biotechnologie und Tissue Engineering und es entstanden Arbeiten mit Algen, Bakterien, Pilzen, Myxomyceten und menschlichen Zellen.
Seine Arbeiten waren in Einzelausstellungen wie u.a. im Frankfurter Kunstverein (2015), Taxispalais Kunsthalle Tirol (2015), Chronus Art Center Shanghai (2016), Haus am Lützowplatz Berlin (2017), ERES Stiftung München (2018), Kunstraum Dornbirn (2018), Medical Museum Kopenhagen (2018), Museion/NOI Bozen (2023) sowie auf Biennalen u.a. in Peking (2024), Lyon (2019), Guangzhou (2018), Moskau (2011) zu sehen.