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Anna Watzinger, (2019)/21/23/25
I N S O M N I A 2.0_DINGE DENKEN DATEN DÄMONEN
Sensorische Installation, physisch erfahrbar
Vernissage
Freitag, 10.10.2025,18:00 Uhr
19:00 Lecture-Performance von Anna Watzinger
19:30 Vortrag von Johannes Zweimüller zum Thema „de/fragmentiertes Sein“
FINISSAGE (Halloween-Party*)
Freitag 31. Oktober 2025, 18:00
19:30 Vortrag von Brigitte Holzinger zum Thema Traum
20:00 Vortrag von Paul Feigelfeld zum Thema KI
20:30 Lecture-Performance von Anna Watzinger
*Let‘s celebrate our „_DÄMONEN” together in your most uncanny neon-green/viole(n)t outfit ;) you can find!
Ausstellungszeitraum: 11. - 30.10.2025
Öffnungszeiten: Donnerstag - Samstag 16:00 - 19:00 Uhr
Medienwerkstatt Wien, Neubaugasse 40a, 1070 Wien
Kuratorische Einleitung
I N S O M N I A 2.0_ DINGE DENKEN DATEN DÄMONEN von Anna Watzinger ist eine sensorische Installation, die den Zwischenraum von digitalen Kulturen und inneren Erfahrungswelten untersucht. Datenströme, visuelle Fragmente und geräuschvolle Atmosphären formen eine Umgebung, die gleichermaßen anzieht und irritiert – ein Terrain zwischen Traum und Algorithmus. Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie Technologien unsere Wahrnehmung, unser Denken und unsere Intimitäten prägen. Indem Watzinger persönliche Notizen, digitale Spuren und mediale Übersetzungen verwebt, entsteht ein Erfahrungsraum, in dem Schlaflosigkeit zur Metapher für das ständige Wachsein und Überwachtwerden im digitalen Zeitalter wird.
Mit INSOMNIA 2.0_ knüpft sie an frühere Iterationen des Projekts an (2021/2023) und erweitert es um neue Dimensionen: Daten werden zu Dämonen, Gedanken zu Dingen, die sich im Raum materialisieren und erfahrbar werden. Die Ausstellung in der Medienwerkstatt Wien lädt dazu ein, das Unbewusste im Zeitalter von Big Data neu zu denken – nicht als Rückzug, sondern als Widerstand. Zwischen Traumlogik und digitaler Kontrolle öffnet sich ein Möglichkeitsraum, in dem individuelle Erfahrung und gesellschaftliche Fragen aufeinandertreffen.
Francesca Romana Audretsch
Künstlerinnnenstatement
INSOMNIA 2.0_ ist eine sensorische Installation, welche sich persönlich (chronische Schlafstörungen, Schlaflaborbesuch 2019), systemkritisch (24/7 schlaflose, überwachte 2.0 Gesellschaft) und atmosphärisch mit Schlaflosigkeit, inhärenten Themengebieten (Bett: ein intensives Alltagsobjekt, Schlaf-Traum: Objekt-Subjekt-Beziehung, “minimal emotional housing”) und möglicher Ursachen davon - der persönlichen (Smartphone), kollektiven (social media), öffentlichen (Staat), kapitalistischen (Konzerne) Überwachung - auseinandersetzt und versucht diese _ DINGE DENKEN DATEN DÄMONEN durch die Folie der Schlaflaboruntersuchungssituation+Daten in eine atmosphärisch künstlerische Erscheinung von Schlaflosigkeit und Überwachung zu übersetzen mit der Einladung trotzdem alle (Kamera-) Augen schließen zu dürfen…
Der auf dem INSOMNIA 2.0_ - Bett liegende Körper kommt buchstäblich, primär mittels somatosensensibler Reize („bodyVR“), mit der Schlafqualität (Schlafphasen: Wach, REM, N1, N2, N3) der Künstlerin in Berührung. Die Schlafphasen dienen als präzise Vorlage und Algorithmus für die Bettmotorenbewegung, welche den/die Nutzer*innenkörper mit sanftem Druck für 7 Minuten in eine alternative (somatosensensible) Welt der Wahrnehmung, fern der allgegenwärtigen visuellen online Wahrnehmungsreize („Schein(heiligkeit) statt Sein“) unserer Zeit entführen möchte. Die Horizontale des Körpers (gerne mit geschlossenen Augen) auf dem INSOMNIA 2.0_ - Bett wird zum Widerstand und Fluchtort der sinn(lich)entleerten, visuellen (online) Reizüberflutung im „Turbodigitalisierungskapitalismus“.
Aber die somatosensible Introspektion währt nicht lange… Plötzlich werden die auditiven Sinnesreize stimuliert. Es ruft das KI-Traum-Telefon aus der Dunkelheit um tiefer in die Frage vorzudringen, ob der menschlich-biologische zufällige „Traumgenerator“ und bestimmte KI-Prozesse (maschinelles Lernen, Deep Learning, Extrapolation: „pseudozufälliges Halluzinieren“) ähnliche Muster erkennen lassen? Ist die Synthese menschlicher und künstlicher Träume, die „schöne neue Welt“, die wir uns als Menschheit immer erträumt haben? Oder sind diese Träume, bewusst und hellwach, eigentlich die _DÄMONEN der Turbodigitalisierung? Ein „digitales Gefängnis“ von nebulösen Algorithmen, erschaffen von den global mächtigsten Tech-Konzernen und ihren Mitläufern (wirtschaftsgetriebene und staatliche „Datensammelspeicherungsüberwachungsmaschinerien“), welche das individuelle Sein - überwacht, ausgewertet, gesteuert und optimiert - als digitales Produkt/überwachtes Datenpaket in der Cloud „downgradet“. Das menschliche Grundbedürfnis (und demokratisches Recht?) auf Körperlich – Sinnlich – und schlussendlich Menschlichkeit erscheint zunehmend als Luxusgut - der Beginn eines neuen Klassensystems?
Die Turbodigitalisierung und der „Datensammelüberwachungskapitalismus“ ermöglicht es, alle menschlichen Grundbedürfnisse in den 24h “2.0 minimal living Modus” zu transferieren: digitaler Staat, online-Medizin, Lieferservice (mittels Drone) aller notwendigen Dinge, social media, Cybersex, Unterhaltungsindustrie (streaming/gaming/reisen in 360 VR- Optik).
Der digitale Raum expandiert sukzessive ins Unendliche, während der sinnlich analog-physische (Handlungsspiel)raum in vorletzter Konsequenz - die letzte wäre der neuronale Upload- auf die minimal notwendige (Körper-) Größe eines Bettes schrumpft/sich verdichtet.
Das Bett, eine Insel…, welches den Körper im Datenmeer verankert.
Die Künstlerin von INSOMNIA 2.0_DINGE DENKEND DATEN DÄMONEN hat durch gewisse Dispositionen, vielfältige und ambivalente Erfahrungen mit dem buchstäblichen (im) Bett-Sein, welches sich in der Rezension ihrer Biographie bis heute als ein wesentlicher Parameter der persönlichen Erscheinung und Lebensgestaltungsgrundlage erweist. Das Bett wird somit seit jeher phasenweise zum buchstäblichen Lebensmittelpunkt, zur „Weltenmitte“ ¹, welche ausweglose Ohnmacht und intensive Arbeitsprozesse unter einer Decke vereint. Im Sinne von Vilem Flusser’s Aussage „Es ist Mitte zahlloser Welten “ ², wird das Bett von INSOMNIA 2.0_ zu einem uneindeutigen und semantisch fluiden Objekt, welches die Grenzen von Privat und Public, Poetisch und Politisch, verschwimmen lässt.
¹ ² Flusser, Vilem „Dinge und Undinge“. München: Carl Hanser Verlag, 1993. S. 91
„Das Bett als einer der kritischsten Orte sozialer, kultureller, künstlerischer, psychischer, medizinischer, sexueller und wirtschaftlicher Transaktionen darf nicht länger unberücksichtigt bleiben.“ ³
³ Colomina, Beatriz; Rumpfhuber, Andreas; Ruhs, August: The Century of the Bed. Buch zur Ausstellung „The Century oft he Bed“ im Rahmen des Galerienprojekts “curated by_vienna”, 2014. Manisha Jothady, ARGE curated by_vienna (Hg). Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 2014. S.17
Produktion/Unterstützung: Medienwerkstatt Wien/Gerda Lampalzer
Kuratorische Unterstützung und Einführung: Francesca Romana Audretsch
Grafik/Konzept: Moritz Appich
Technische Unterstützung/Beratung: Laurus Edelbacher
Technik Telefon: Klemens Kohlweis
Fotos/Texte/Gesamtkonzept: Anna Watzinger