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Zwei Brüder, jede Menge Genres und ein Kino, das sich weigert, eindeutig zu sein. Die Filme von Joel und Ethan Coen können Parabel und Parodie, Western und Weltuntergang, Screwball und Schöpfungsgeschichte sein. Oft gleichzeitig. Ihre Figuren stolpern durch Systeme, die sie nicht verstehen – Recht, Religion, Kapitalismus – und treffen auf eine Welt, die ihnen selten Antworten bietet. Wenn überhaupt, dann eine Gegenfrage mit einem schwierig zu deutenden Lächeln. Two Serious Men versammelt das Werk der Coens in einer Schau, die das Absurde ernst nimmt und das Ernste mit einem Augenzwinkern betrachtet.
Accept the Mystery
Die Coens sind Autorenfilmer im klassischen Sinn, mit einem unverwechselbaren Ton, einer Vorliebe für elliptisches Erzählen und einem Hang zur literarischen Struktur. Ihre Drehbücher ordnen sich lieber dem Rhythmus als dem Akt-Diktat unter – ihre Dialoge singen. Vom texanischen Noir-Debüt BLOOD SIMPLE zur ambitionierten Hollywood-Groteske HAIL, CAESAR! entfaltet sich ein Kosmos, in dem Schuld und Schicksal, Gewalt und Gnade, Tumbheit und Tiefe untrennbar miteinander verwoben sind. Ihr Œuvre ist durchzogen von einem Humor, der sich nicht über Pointen definiert, sondern über Haltung: skeptisch gegenüber Autorität, ironisch gegenüber Sinn und tief verwurzelt in der Tradition der existenziellen Selbstbefragung, sowie einem jüdisch-amerikanischen Selbstverständnis. Augenscheinlich laut, aber im Kern doch leise. Er zeigt sich in der irrwitzigen Logik ihrer Plots, in der stoischen Hilflosigkeit ihrer Held:innen und in der Weigerung, einfache Antworten zu geben. Die Arbeit der Brüder scheint in ihrer absurden Ausweglosigkeit verwandt mit Kafka, sucht formelle Anleihen bei Preston Sturges und Frank Capra und holt die meiste Inspiration womöglich bei den amerikanischen Autoren des frühen 20. Jahrhunderts, allen voran James M. Cain, Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Meisterlich, wie wenig epigonal sie dabei wirken, der Leere entgegen lachend. Ihre jüdische Herkunft nicht als folkloristisches Detail, sondern als intellektuelles Fundament einsetzend, prägt sie die Perspektive auf Schuld, auf Erlösung und die Frage, ob das Universum zuhört.
Diese Retrospektive ist auch eine Einladung, das amerikanische Kino neu zu betrachten, weniger als Mythos, sondern als Material. Die Coens zitieren, brechen, rekonstruieren und schaffen Filme, die zugleich vertraut und verstörend wirken. Ihre Western sind nicht ausschließlich Western, ihre Komödien keine lupenreinen Schenkelklopfer und ihre Gangsterfilme manchmal einfach nur traurig. Sie erzählen von Menschen, die glauben, sie hätten einen Plan, und von einer Welt, die sich darüber amüsiert. Two Serious Men ist ein Titel, der – wie die Brüder selbst – nicht ganz ernst genommen werden darf. Und wie ihre Filme, die uns lehren, dass das Leben vielleicht keinen Sinn hat – aber sehr wohl Stil. Und dass man manch- mal nur weiterkommt, wenn man innehält, zweifelt und trotzdem lacht.
(Otto Römisch)