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An der Schwelle

Freitag, 4. Oktober 2019

9:00 – 9:30 Uhr Anmeldung und Kaffee

Theorien des Liminalen/Spezifische Beispiele

9:30 – 11:00 Uhr:

Christian Janecke (Professor für Kunstgeschichte, Hochschule für Gestaltung Offenbach)

Fliehkräfte des Sinns. Über Werkränder als Schwellenräume

Bei Schwellen oder Übertrittszonen in der Kunst denkt man zuerst an deren interne Darstellung, sei es in atmosphärischer Szenerie oder bei Rückenfiguren. Doch Kunstwerke können auch buchstäblich gegen sich selbst andrängen, nämlich gegen ihren Rand als der Schwelle zu ihrem Außen. Das Schwellen wird dabei zum speziellen Formatproblem, und man kann fragen, was geschieht, wenn Sinn der Werke in deren Peripherie migriert.

Tobias Frese (Akademischer Rat, Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte, Universität Heidelberg)

Grenzüberschreitung und Wandlung. Zur Bilddramaturgie des Jakobkampfes in der Wiener Genesis

In dem Vortrag soll eine Einteilung der Miniatur des Jakobkampfes der Wiener Genesis in drei Phasen vorgeschlagen werden, die der spezifischen Bilddramaturgie der Grenzüberschreitung und Wandlung – dem liminalen Charakter der Darstellung – gerecht wird. Dabei wird gezeigt werden, dass die Sequenz Übereinstimmungen mit der Phasenstruktur der sogenannen Übergangsriten (rites des passages) aufweist.

Flavia Hächler (Doktorandin, Kunsthistorisches Institut, Universität Zürich)

Darstellung und Funktion von Schwellen auf Cassoni und Cassone-Tafeln der Florentinischen Frührenaissance

Bebilderte Hochzeitstruhen (cassoni istoriati) des ausgehenden 14. Jahrhunderts überwanden als liminale Bildträger während des Hochzeitsritus familiäre Grenzen und stellen damit Objekte eines rite-de-passage dar. In ihrer liminalen Ästhetik unterteilen sie einerseits unterschiedliche Geschichtsstränge, andererseits verbinden sie die dargestellten Handlungszusammenhänge. Im Rahmen der Tagung soll die Darstellung von Schwellen und Grenzen auf ausgewählten Cassoni und Cassone-Tafeln studiert werden.

11:00 – 11:30 Uhr Kaffeepause

11:30 – 12:30 Uhr:

Maximilian Hartmuth (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien)

Inszenierungen der Schwelle? Orientalisierende Bauten des späten 19. Jahrhunderts an der ehemaligen habsburgisch-osmanischen Grenze

Im nördlichen Bosnien findet sich im Grenzbereich zu Kroatien eine auffällige Dichte von Gebäuden in einem exotisierenden Stil, der in der landessprachlichen Literatur in der Regel „pseudomaurisch“ genannt wird. Der Beitrag prüft Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Anhäufung von orientalisierenden Bauwerken in dieser Region. Waren sie als Erinnerungen an die traditionelle Liminalität des Gebiets (nämlich als „Zivilisationsgrenze“ von Christentum und Islam) beabsichtigt?

Stefanie Kitzberger (Doktorandin und Assistentin für Neueste Kunstgeschichte, Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien)

Gegen Selbstbezogenheit. Szenarien der Grenzüberschreitung im frühen russischen Konstruktivismus

Der russische Konstruktivismus kann geradezu als paradigmatisches Beispiel einer liminalen künstlerischen Praxis bezeichnet werden, ging es ihm doch darum, künstlerische Aktivität aus ihrer gesellschaftlichen Autonomie und Folgenlosigkeit heraus in soziale Operationalität zu überführen. Der Beitrag wird diversen Phänomenen mittels Close Readings des wohl bekanntesten Konvoluts konstruktivistischer Objekte auf der ersten öffentlichen Ausstellung der Arbeitsgruppe im Mai 1921 nachgehen.

12:30 – 14:00 Uhr Mittagspause (individuell)

Liminale Körper

14:00 – 15:30 Uhr:

Lynn M. Somers (Adjunct Assistant Professor, Drew University New Jersey)

Sculpture as Liminal Object: Louise Bourgeois’s Janus

In 1968, amidst critical debates about objecthood in the history of postwar sculpture in New York, Louise Bourgeois fashioned five bronze sculptures hung from wire and titled Janus. Included in Lucy Lippard’s pivotal Eccentric Abstraction exhibition in 1966 – focused on the liminality of anti-sculptural and sensuous materials, the radical nature of such work announced Bourgeois as a figure to watch during that unstable decade.

Barbara Ursula Oettl (Universität Regensburg)

Existentielle Grenzerfahrungen: Die Bewusstwerdung der eigenen Sterblichkeit

Sofern Künstler_innen wie Hannah Wilke, ORLAN oder Gregor Schneider mit ihren Werken Bilder der Gewalt kreieren, so unterschätzen sie mitnichten die Gewalt der Bilder, welch diese auf ihre Betrachter auszuüben vermögen. Vielmehr setzen sie in die Tat um, was Antonin Artaud bereits 1936 zur Grundlage eines Erkenntnisgewinns über unser zeitlich begrenztes Körper-Haben und Leib-Sein anempfohlen hatte: „Das Theater der Grausamkeit“.

Thomas Moser (Doktorand, Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians Universität München)

Rite de Passage Montmartre

Der esprit Montmartre wird heute mit mehreren Generationen namhafter Künstler verbunden, der die Masse marginalisierter, weiblicher Musen gegenübersteht. In der historischen Rückschau widersetzt sich insbesondere die amerikanische Serpentinentänzerin Loïe Fuller dieser stereotypen Hierarchisierung. Qua künstlerischer Medienreflexion anhand „la Loïe“ emanzipierte man sich intellektuell von der zunehmend pansozialen Menge am Montmartre, um sich im selben Atemzug als Außenseiter zu konstituieren. Der moderne Paragone um 1900 muss so gesehen als rite de passage gelesen werden.

15:30 – 16:00 Uhr Kaffeepause

16:00 – 17:00 Uhr

Raffaella Perna (Research Fellow, La Sapienza University, Rome)

Art and Feminism in Italy: Tomaso Binga’s Liminal Actions

The paper focuses on the work of the Italian artist and performer Tomaso Binga (Bianca Pucciarelli), active in the 1970s in the field of visual and phonetic poetry and close to feminist ideas, under the perspective of liminality. The aim of the paper is the analysis of the ways in which Bings’s work on identity and the body challenged the stereotypes of femininity through a radical critique of social rituals and of dominant artistic languages.

Doris Guth (Assistenzprofessorin, Akademie der bildenden Künste Wien)

Erotisierung der Religion und Sakralisierung der Liebe. Zeitgenössische Kunst „an den Schwellen“

Religion hat am Anfang des 21. Jahrhunderts eine veränderte Rolle und Zuschreibung erfahren. Schwellen überschreitende Glückserfahrungen beziehen sich nicht mehr auf den Glauben an einen Gott. Ein Beispiel für die Sakralisierung religionsferner Felder liegt in der kulturellen Bedeutung der Emotion „Liebe“. Die Soziologin Eva Illouz beschreibt in Liebe im Zeitalter des Spätkapitalismus mit Victor Turners Liminalitätstheorie wie die Liebe Schwellenerfahrungen ermöglicht.

ab 18:00 Uhr:

Gemeinsames Abendessen aller Tagungs-Teilnehmer_innen an der Akademie und Kurientreffen des VöKK (für Mitglieder des Verbandes)

Konferenz
Zeitgenössische Kunst
Theorie
arts (general)
04.10.2019 (Fri)
09:30 -